Skip to main content

Deutschlands großer militärischer Einsatz in Afghanistan zeigt, dass es seine traditionelle Angst vor der eigenen Stärke überwunden hat. Deutschland hat sich zu prinzipiengeleitetem Engagement entschlossen und vermag militärische Gewalt zur Verteidigung internationaler Standards einzusetzen.

Ohne das große deutsche Engagement wäre es um Afghanistan viel schlimmer bestellt - Debatte

Deutschlands großer militärischer Einsatz in Afghanistan zeigt, dass es seine traditionelle Angst vor der eigenen Stärke überwunden hat. Deutschland hat sich zu prinzipiengeleitetem Engagement entschlossen und vermag militärische Gewalt zur Verteidigung internationaler Standards einzusetzen. Diese neue deutsche Bereitschaft kommt keine Minute zu früh. Die Opfer von Konflikten und Menschenrechtsverletzungen in den Krisenregionen Afrikas und Asiens sind dringend auf Hilfe von außen angewiesen, aber es herrscht ein dramatischer Mangel an Truppen für diese lebensrettenden Missionen.

Die Vereinigten Staaten, mit Abstand die größte Militärmacht der Welt, sind so sehr mit der Verteidigung ihrer eigenen Sicherheit beschäftigt, dass sie für humanitäre Unternehmungen praktisch nicht mehr zur Verfügung stehen. Das veranschaulichte unter anderem Washingtons halbherzige Reaktion auf die Massaker in Liberia im letzten Sommer. Da 150 000 Soldaten im Irak eingebunden waren, schickten die USA nur ein Kriegsschiff vor die liberianische Küste und ließen ein paar Marines die amerikanische Botschaft in Monrovia bewachen. Wäre die Aktion nicht so abgebrüht gewesen, hätte man sie eine Farce nennen können. So mussten nigerianische Truppen in die Bresche springen.

Die britische und französische Regierung haben mehr Entgegenkommen gezeigt, sind aber überstrapaziert. Im Jahr 2000 half Großbritannien, die Massaker in Sierra Leone einzudämmen; Frankreich stellte 2003 im östlichen Kongo und seit Ende 2002 in der Elfenbeinküste eine Schutzmacht auf. Auf Grund der bereits bestehenden Einsätze und der großen Präsenz der Briten im Südirak sind ihre Kapazitäten für weitere humanitäre Missionen jedoch begrenzt.

Glücklicherweise beginnt nun Deutschland, einen Teil dieser humanitären Last zu schultern, vor allem in Afghanistan. Als Gastgeber der Konferenz von 2001 auf dem Petersberg, wo sich die heutige Regierung von Kabul konstituierte, pflegt Deutschland eine besondere Beziehung zu Afghanistan und hat eine besondere Verantwortung für dessen Zukunft übernommen. Das kommt auch in der heute beginnenden Berliner Konferenz zum Ausdruck.

Afghanistan steht vor gewaltigen Problemen. Die USA, die mit der Bekämpfung von Überresten der Al Qaida und der Taliban beschäftigt sind, haben die Kontrolle über weite Teile Afghanistans einer Reihe von verbündeten Warlords überlassen. Diese bewaffneten regionalen Banden arbeiten mit Gewalt und Zwang, um die Frauen zu unterdrücken und eine Zivilgesellschaft im Keim zu ersticken, während sie sich durch Erpressung und Opiumanbau bereichern. Ihre Dominanz bei der verfassunggebenden Versammlung im Dezember ist bezeichnend dafür, wie schwer sich die demokratischen Stimmen des Landes Gehör verschaffen können.

Um die Macht der Warlords zu brechen, müssen mehrere Schritte getan werden. Zunächst müssen weitere Schutztruppen organisiert werden, um die Präsenz von Friedensmissionen in ganz Afghanistan auszuweiten. Zurzeit vermögen die Truppen der Nato-Staaten nur Kabul und Kunduz im Norden zu sichern. Es eine Schande, dass die Nato-Staaten mit ihren enormen militärischen Kapazitäten nicht ein paar zusätzliche Truppen für Afghanistan auf die Beine stellen können, einschließlich der Transportmittel und Kommunikationssysteme, die für deren effizienten Einsatz nötig sind.

Die USA und andere Länder haben außerdem Aufbauteams in einige Städte der afghanischen Provinzen entsandt; weitere Teams wurden auf der internationalen Sicherheitskonferenz Anfang Februar in München zugesagt. Aber diese leicht bewaffneten Einheiten, die hauptsächlich humanitäre Aufgaben haben, sind kein Ersatz für Truppen mit Friedensmandat und den Mitteln, die afghanische Bevölkerung zu schützen.

Der Einsatz der Friedenstruppen sollte außerdem mit einer umfassenden Überwachung der Menschenrechte einhergehen. Als Augen und Ohren der Friedenstruppen können solche Beobachter bei Bedarf Truppen zur Hilfe rufen und dabei helfen, den Einflussbereich der Friedenstruppen zu auszudehnen. Darüber hinaus benötigt das Land dringend mehr Wirtschaftshilfe. Die internationale Hilfe für Afghanistan macht, pro Kopf der Bevölkerung, nur einen Bruchteil dessen aus, was an Wiederaufbauhilfe für Regionen wie das Kosovo oder Osttimor ausgegeben wurde. Und während der afghanischen Regierung das Geld fehlt, verdienen die Warlords Unsummen am Heroinhandel, was Kabuls Kontrolle über das Land zusätzlich schwächt.

Schließlich sollte Druck auf die USA ausgeübt werden, um ihr stillschweigendes Bündnis mit den Warlords zu beenden. Man kann nur hoffen, dass der nachvollziehbare Wunsch der Europäer, die transatlantischen Beziehungen nach Monaten der Krise wieder zu verbessern, sie nicht daran hindert, darauf hinzuweisen, wie gefährlich und kontraproduktiv die Warlord-Strategie Washingtons geworden ist. Der Kampf gegen Al Qaida und die Taliban ist zweifellos wichtig, aber er darf nicht auf Kosten der Grundrechte des afghanischen Volks geführt werden.

Your tax deductible gift can help stop human rights violations and save lives around the world.