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Nur eine Untersuchungskommission nach dem Vorbild der 9/11-Kommission kann wirklich Aufschluss darüber bringen, wie die Gefangenen im Irak, in Afghanistan und Guantanamo Bay behandelt wurden, sagte Human Rights Watch heute.

„Zweieinhalb Monate nach den ersten Bildern aus dem Abu Ghureib-Gefängnis sind lediglich ein paar Soldaten niedrigen Ranges zu Rechenschaft gezogen worden“, sagte Kenneth Roth, Direktor von Human Rights Watch. „Es gibt immer mehr Beweise dafür, dass von hoher Ebene eine Politik der Misshandlung angeordnet wurde. Die Welt wartet noch immer darauf, wie die Vereinigten Staaten mit diesen Verbrechen umgehen werden.“

Wichtige Fragen zur Behandlung von Gefangenen im „Kampf gegen den Terrorismus“ und im Irak bleiben weiterhin unbeantwortet. Darunter befinden sich Fragen wie: Warum wurden die Untersuchungen der Todesfälle in den Gefängnissen in Afghanistan und Irak so halbherzig und spät durchgeführt? Warum wurden Gefangene an Länder wie Syrien, Ägypten und Saudi-Arabien überstellt, die systematisch Folter einsetzen? Wie rechtfertigt die US-Regierung das Festhalten von Gefangenen an „geheimen Orten“ ohne Kontakt zur Außenwelt angesichts der Tatsache, dass die USA die Methode des „Verschwindenlassens“ von Personen in anderen Ländern verurteilt? Welche Verhörmethoden wurden für die im Irak, in Afghanistan und vom CIA festgehaltenen Gefangenen genehmigt (und unterscheiden sich diese von den für Guantanamo Bay zugelassenen Methoden)? Und wie bringen die führenden Regierungsbeamten die Zwangsverhöre, deren Genehmigung sie zugegeben haben, mit den Abkommen zum Verbot von grausamer, unmenschlicher und erniedrigender Behandlung in Einklang?

Darüber hinaus ist die Regierung bisher eine Antwort auf die Fragen der Kongressabgeordneten bezüglich der verschärften Suche nach „verwertbaren Geheimdienstinformationen“ unter irakischen Gefangenen unmittelbar vor den schwersten Misshandlungen in Abu Ghureib schuldig geblieben. Wer im Pentagon entsandte Major General Geoffrey Miller, den ehemaligen Befehlshaber in Guantanamo nach Abu Ghureib, um dort die Verhörmethoden zu überarbeiten und welche Anweisungen wurden ihm gegeben? Welche Empfehlungen sprach General Miller aus? Welche Methoden genehmigte Lieutenant General Ricardo S. Sanchez, der leitende Offizier des US-Militärs im Irak, daraufhin für die Befragungen in Abu Ghureib? Welche Verhörmethoden aus Afghanistan wurden in Abu Ghureib angewandt? Wer im Pentagon wusste von den in Abu Ghureib angewandten Verhörmethoden?

Human Rights Watch rief den Kongress der Vereinigten Staaten zur Ernennung einer Sonderkommission nach dem Vorbild der 9/11-Kommission auf, welche der Frage der Misshandlung der Gefangenen nachgehen soll. Eine solche Kommission würde Anhörungen abhalten, das uneingeschränkte Recht haben, Vorladungen auszusprechen und die Einsetzung eines Sonderanklägers zur Untersuchung möglicher strafbaren Handlungen empfehlen können. Die Kommission würde unter anderem die Verbindung zwischen den Gesprächen und den Memos der Regierung und den tatsächlich in Afghanistan, im Irak und in Guantanamo Bay angewandten Maßnahmen untersuchen.

Human Rights Watch meinte, die derzeit vom amerikanischen Verteidigungsministerium durchgeführten Untersuchungen werden den Vorwürfen der Misshandlungen nicht auf den Grund gehen können, insbesondere angesichts der Behauptungen, dass hochrangige Mitglieder der US-Regierung die Folter der Gefangenen angeordnet, gebilligt oder wissentlich ignoriert haben könnten.

„Keine der laufenden Untersuchungen ist unabhängig oder umfassend genug, um dem Skandal auf den Grund zu gehen“, sagte Roth. „Wie soll ein von Verteidigungsminister Rumsfeld ernanntes Gremium bestimmen, ob Rumsfeld für die Folter verantwortlich ist oder nicht? Wie können von uniformiertem Militärpersonal durchgeführte Ermittlungen die Entscheidungen von Politikern untersuchen?“

Es befinden sich mindestens sieben Untersuchungen in Vorbereitung. Bei beinahe allen untersucht das Militär die Vorgänge jedoch selbst und diese Untersuchungen befassen sich nur mit einem der Aspekte der Behandlung der Gefangenen. Keine der Untersuchungen des Militärs befasst sich mit den in der Hierarchie über General Sanchez stehenden Befehlshabern. Keine der Untersuchungen beleuchtet die Rolle der CIA oder der Zivilbehörden.

Darüber hinaus soll der Streitkräfteausschuss des Senats seine Untersuchung nach Erhalt eines Armeeberichts über Abu Ghureib fortsetzen und Regierungsbeamte wie L. Paul Bremer III, bis vor kurzem Zivilverwalter der Vereinigten Staaten im Irak, Verteidigungsstaatssekretär Douglas J. Feith und Rechtsberater des Pentagon William J. Haynes Jr. anhören.

Die am 22. Juni veröffentlichten Dokumente des Verteidigungsministeriums befassen sich nur mit dem Zeitraum bis April 2003 und enthalten keine Angaben zu den in Abu Ghureib oder in anderen Militärgefängnissen im Irak angewandten Methoden. Sie umfassen auch keine Memoranden an oder vom CIA, FBI oder US-Außenministerium.

Human Rights Watch rief die Regierung dazu auf, alle mit der Behandlung der Gefangenen im „Kampf gegen den Terrorismus“ oder im Irak in Verbindung stehenden Dokumente freizugeben, darunter auch die Schlüsselmemoranden von Sanchez von September und Oktober, die Zwangsverhörmethoden im Irak autorisieren. Diese Methoden umfassen Berichten zufolge den Einsatz von Militärhunden, schmerzhafte Stresspositionen, extreme Temperaturen, Schlafentzug und Sinnesentzug und eine Kost aus Brot und Wasser.

Human Rights Watch veröffentlichte im Juni den 36-seitigen Bericht „The Road to Abu Ghraib“, in dem erläutert wird, wie die Regierung Bushs bewusst illegale Verhörmethoden duldete – und dann zwei Jahre lang die Berichte über Folter und andere Misshandlungen durch Truppen der USA zuerst in Afghanistan und danach im Irak vertuschte oder ignorierte.

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