HUMAN RIGHTS WATCH

Zusammenfassung des 46-seitigen Berichts "The United States' 'Disappeared': The CIA's Long-Term “Ghost Detainees”

Der Gefangene wurde vor 19 Monaten mitten in der Nacht mitgenommen. Er wurde vermummt und an einen unbekannten Ort gebracht, von wo man von ihm nichts mehr hörte. Die Befrager wandten Berichten zufolge verschiedene Stufen der Gewalt gegen den Gefangenen an. Dabei wurde unter anderem die als „water boarding“ bezeichnete Foltertechnik angewandt, die in Lateinamerika „submarino“ genannt wird. Bei dieser Technik wird der Gefangene festgeschnallt und sein Kopf unter Wasser getaucht, bis er glaubt zu ertrinken. Die sieben und neun Jahre alten Söhne des Gefangenen wurden ebenfalls mitgenommen, vermutlich, um ihn zum Reden zu bewegen.

Diese Taktiken sind in gewaltsamen Diktaturen nur allzu bekannt. Doch die Befrager gehörten keinem diktatorischen Regime an, sondern der Central Intelligence Agency (CIA) der Vereinigten Staaten. Bei dem Gefangenen der USA handelt es sich um Khalid Scheich Mohammed, den angeblichen Drahtzieher der Anschläge des 11. September. Mohammed ist einer der rund ein Duzend hochrangigen Mitglieder von Al-Qaida, die im Gewahrsam der USA einfach „verschwunden“ sind.  
 
Nach den Anschlägen auf die Vereinigten Staaten am 11. September 2001 hat die Regierung Bushs bei der Behandlung der Sicherheitsgefangenen die grundlegendsten Rechtsnormen verletzt. Viele wurden in Gefängnissen im Ausland, das bekannteste darunter Guantánamo Bay in Kuba, festgehalten. Wie mittlerweile bekannt wurde, sind unter Terrorismusverdacht stehende Gefangene - gegen viele von ihnen liegen keine Beweise vor - misshandelt, erniedrigt und gefoltert worden. Kein anderes Vorgehen stellt die Rechtsgrundlagen der Vereinigten Staaten und des Völkerrechts so sehr in Frage wie das geheime Festhalten von Al-Qaida-Verdächtigen an „unbekannten Orten“ ohne Kontakt zur Außenwelt.  
 
Das „Verschwindenlassen“ von Personen war ein Markenzeichen von Militärdiktaturen in Lateinamerika in ihrem „schmutzigen Krieg“ gegen angebliche Subversion. Nun ist es eine der von der USA angewandten Taktiken im Konflikt mit Al-Qaida.  
 
Zu den „verschwundenen“ Gefangenen der CIA zählen Abu Zubaida, ein enger Berater Osama bin Ladens, Ramsi bin al-Schibh, der zu den Flugzeugentführern des 11. September gehören hätte können, wäre ihm nicht das Visum für die USA verweigert worden, Hambali, ein wichtiger Alliierter von Al-Qaida in Südostasien, und Abd al-Rahim al-Naschiri, der mutmaßliche Drahtzieher des Bombenanschlags auf die USS-Cole.  
 
Dem Independent Panel to Review Department of Defense Detention Operations unter dem Vorsitz des ehemaligen Verteidigungsministers James Schlesinger zufolge wurde die CIA dazu ermächtigt, „unter anderen Vorschriften zu arbeiten“ als das Militär. Diese Vorschriften stammen zum Teil aus einem Memo des Justizministeriums vom August 2002, durch das auf ein Antrag auf Anweisungen geantwortet wurde, und dem zufolge die Folter von Al-Qaida-Gefangenen „gerechtfertigt sein könnte“ und die Vorschriften des Völkerrechts gegen Folter „im Bezug auf Verhöre verfassungswidrig sein könnten“, wenn diese Verhöre im Zuge des Kampf gegen den Terror ausgeführt werden.  
 
Einige der Gefangenen wie Khalid Scheich Mohammed wurden Berichten zufolge tatsächlich gefoltert. Viele haben angeblich wertvolle Informationen geliefert, durch die geplante Anschläge verhindert und Leben gerettet werden konnten. Einige haben angeblich unter Druck gelogen, um ihre Befrager zufrieden zu stellen. (Ibn al-Scheich al-Libi hat die später durch Außenminister Colin Powell an die Vereinten Nationen weiter gegebene Aussage, der Irak habe Mitglieder von Al-Qaida im Bereich von „Giften und tötlichen Gasen“ Training geboten, offenbar erfunden.) Die Vereinigten Staaten haben die Gefangennahme von vielen, jedoch nicht von allen, bestätigt. Was alle Gefangenen gemein haben, ist die Weigerung der Vereinigten Staaten, ihren Aufenthaltsort bekannt zu geben und ihnen Kontakt mit ihren Familien, Anwälten oder dem Internationalen Komitee des Roten Kreuzes zu erlauben.  
 
Diese Männer sind gelinde gesagt keine guten Menschen. Ihnen werden die grausamsten Verbrechen angelastet. Manche haben gefragt, warum sich überhaupt darum kümmern, was mit diesen Männern passiert? Erstens, weil die schlechte Behandlung der Gefangenen durch die USA, trotz der offenbar von den Verdächtigen gewonnenen lebensrettenden Informationen, der Al-Qaida eher genutzt als geschadet und die Welt somit weniger sicher vor Terror gemacht hat. Wie die 9/11-Kommission erkannte, „erschweren es die Anschuldigungen, die Vereinigten Staaten hätten Gefangene in ihrer Obhut misshandelt, die diplomatischen, politischen und militärischen Bündnisse zu schließen, welche die Regierung brauchen wird.“ Zweitens, weil die Folter und das „Verschwindenlassen“ der Gegner durch die USA alle dubiosen Regierungen der Welt dazu einlädt, diesem Beispiel zu folgen. Länder vom Sudan bis zu Zimbabwe haben Abu Ghureib und andere Aktionen der USA bereits angeführt, um ihre eigenen Vorgehensweisen zu rechtfertigen oder um Kritik zu entschärfen.  
 
Doch was vor allem zur Beunruhigung führen muss, ist das Annehmen von Methoden, die im Widerspruch zur Demokratie stehen und die Identität der USA als Rechtsstaat untergraben. Für Al-Qaida heiligt der Zweck offensichtlich die Mittel – Mittel, wie das Steuern von entführten Flugzeugen in Gebäude und das Zünden von Bomben in Bahnhöfen und heiligen Stätten. Die Vereinigten Staaten sollten diese Denkweise nicht annehmen.  
 
Die Vereinigten Staaten sind bemüht, wie sie es auch sein müssen, sich selbst und ihre Bevölkerung vor Anschlägen durch Al-Qaida und alliierte Gruppen zu schützen. Human Rights Watch erkennt natürlich die Wichtigkeit, effizient und schnell Geheimdienstinformationen zu sammeln, um Al-Qaida und andere Netzwerke aufzustöbern, Terroristen festnehmen und weitere katastrophale Terroranschläge verhindern zu können.  
 
Die Methoden des „Verschwindenlassens“ und des Festhaltens von Gefangenen an geheimen Orten ohne Kontakt zur Außenwelt verletzten jedoch die Grundlagen einer freien Gesellschaft. Als Argentinien Folter anwandte und vermeintliche Dissidenten im Namen des Kampfes gegen so genannte Terroristen „verschwinden“ ließ, geschah dies im Unrecht. Wenn die Vereinigten Staaten Folter anwenden und angebliche Terroristen „verschwinden“ lassen, selbst wenn diese unter Verdacht stehen, die schrecklichsten Anschläge geplant zu haben, sind sie ebenfalls im Unrecht. Die Tatsache, dass die Vereinigten Staaten gegen eine andere Art Terror ankämpfen, ändert nichts an der Tatsache, dass die angewandten Methoden rechtswidrig sind.  
 
Dieser Bericht bietet einen umfassenden Überblick darüber, was uns über die „Verschwundenen“ der USA bekannt ist und führt in einem Anhang die Fakten zu den elf Fällen auf, für die Informationen öffentlich zugänglich sind. Es ist gut möglich, dass es einige oder viele weitere solche Gefangenen gibt.  
Der Bericht liefert auch den historischen Kontext der Methode des „Verschwindenlassens“, verfolgt diese Taktik bis ins Nazi-Deutschland des Zweiten Weltkriegs zurück und identifiziert die spezifischen Vorschriften in den Gesetzen der Vereinigten Staaten und des Völkerrechts, durch die diese Methode verboten wird.