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Die Regierung von Usbekistan versucht durch massive Polizeieinsätze zu verhindern, dass die Wahrheit über Andischan und den Tod von Hunderten Zivilisten ans Tageslicht kommt, stellt Human Rights Watch in einem neuen Bericht fest.

Augenzeugenberichten zufolge hat die Polizei mehrere Menschen dazu gezwungen, zu „gestehen“, dass sie zu extremistischen religiösen Organisationen gehören, dass die Proteste am 13. Mai in Andischan gewalttätig und die Demonstranten bewaffnet waren.

Am Montag haben die Prozesse für diejenigen begonnen, die angeklagt sind, die Demonstrationen in Andischan angestiftet zu haben. Es wird erwartet, dass „Terroristen“ mit einer islamischen Agenda für die Hunderten von Toten verantwortlicht gemacht werden. Auch Amnesty International veröffentlichte am Montag seinen Bericht über die Ereignisse in Andischan. Beide Organisationen fordern eine unabhängige internationale Untersuchung des Massakers.

„Wir verfolgen die politische Unterdrückung in Usbekistan seit vielen Jahren. Doch so etwas, wie die Polizeiaktionen in Post-Andischan, haben wir zuvor nie gesehen“, erklärte Holly Cartner, Leiterin der Abteilung für Europa und Zentralasien von Human Rights Watch. „Anstatt die Verursacher des Massakers zur Rechenschaft zu ziehen, versucht die usbekische Regierung, die Verantwortlichkeit zu leugnen und die Zeugen zum Schweigen zu bringen.“

Der 73-seitige Bericht “Burying the Truth: Uzbekistan Rewrites the Story of the Andijan Massacre“ (Die Wahrheit begraben: Usbekistan schreibt die Geschichte des Massakers von Andischan um) dokumentiert die unerbittliche Verfolgung von unabhängigen Journalisten, Menschenrechts- und politischen Aktivisten, weil sie versuchen, die Wahrheit über die Vorfälle vom 13. Mai zu erzählen. Elf Aktivisten befinden sich im Gefängnis, 15 mussten das Land verlassen und andere Aktivisten der Zivilgesellschaft seien gezwungen worden, ihre Aktivitäten einzustellen, heißt es in dem Bericht.

Human Rights Watch appellierte an die Europäische Union, das Partnerschafts- und Kooperationsabkommen (PCA) mit Usbekistan auszusetzen. Es wird erwartet, dass der Rat für Allgemeine Angelegenheiten und Außenbeziehungen (RAA) der EU am 3. Oktober darüber entscheidet. „Die Europäische Union kann nicht weiter so tun, als ob nichts passiert sei“, kritisierte Cartner. „Usbekistan hat die Abmachungen des PCA gebrochen, dies muss klare Konsequenzen haben.“

Im Juni veröffentliche die Menschenrechtsorganisation einen Bericht (https://www.hrw.org/reports/2005/uzbekistan0605/), aus dem hervorgeht, dass usbekische Regierungstruppen für die meisten Toten und Verletzten verantwortlich sind. Augenzeugen berichteten Human Rights Watch, dass Sicherheitsbehörden wahllos in die Menge der großteils unbewaffneten Demonstranten gefeuert hätten und auch noch auf jene schossen, die versuchten davonzulaufen. Laut Schätzungen gab es dabei Hunderte Tote.

Daraufhin leitete die usbekische Regierung eine Untersuchung der Vorfälle ein, die zu der großen friedlichen Demonstration geführt hatten. Kurz vor dem Protest kam es zu einem Gefängnisausbruch, zur Besetzung von Regierungsgebäuden und zu Geiselnahmen. Human Rights Watch bemängelte auch, dass die Regierung bis heute keine Anstrengungen unternommen hätte, um das Massaker zu untersuchen und die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen.

Anfang Juni nahm die Polizei Leute fest und verhörte sie. Human Rights Watch zufolge waren es Hunderte – vielleicht sogar Tausende – Menschen, die nur entfernt einen Zusammenhang mit den Vorfällen vom 13. Mai hatten: Demonstranten, ihre Verwandten und die Familien der Flüchtlinge in Kirgisien. Man befragte auch Anwohner, die in der Nähe des Hauptplatzes wohnen, und so weiter. Der Versuch, Zeugen zum Stillschweigen zu bringen, führte sogar über die Grenze. Die usbekische Regierung versuchte, 400 Überlebende, die nach Kirgisien geflohen waren, zur Rückkehr zu zwingen.

In den Wochen nach dem Massaker machten Regierungstruppen Jagd auf Journalisten, Menschenrechts- und politische Aktivisten, berichtete Human Rights Watch. Diese Leute seien wegen fadenscheinigen Vergehen verhaftet, geschlagen und bedroht worden. Sie würden abgehört und von Schlägertrupps verfolgt, stünden unter Hausarrest und würden öffentlich angeprangert.

Im Bericht erwähnt wird zum Beispiel der Fall von Saidjahon Zainabitdinov, der sich in Andischan für eine Aufklärung der Vorfälle einsetzte und am 21. Mai verhaftet wurde. In den Tagen nach dem Massaker sprach Zainabitdinov mit ausländischen Journalisten. In weiterer Folge wurde er angeklagt, unter anderem wegen Terrorismus und falscher Darstellung der Ereignisse vom 13. Mai. Seit über sechs Wochen gilt er als in der Untersuchungshaft verschollen. Human Rights Watch macht sich Sorgen um sein Wohlbefinden und fordert seine sofortige Freilassung.

Human Rights Watch appellierte an die Regierung von Usbekistan, offene und faire Prozesse abzuhalten. Internationale Beobachter sind zu den Verhören zugelassen. Es wird angenommen, dass den Angeklagten auch Terrorismus vorgeworfen wird, worauf die Todesstrafe steht.

Die Menschenrechtsorganisation fordert die Europäische Union sowie die Vereinigten Staaten auf, ein Waffenembargo für Usbekistan zu verhängen und hohen usbekischen Regierungsvertretern keine Visa zu gewähren.

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