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(Washington D.C., 18. Januar 2006) Folter und Misshandlungen werden bewusst von der Bush-Regierung in ihrer Anti-Terror-Strategie eingesetzt. Dies belegen neue Beispiele aus dem letzten Jahr. Dadurch wird es erschwert, Menschenrechte weltweit zu verteidigen, erklärt Human Rights Watch in seinem heute veröffentlichten Weltbericht 2006.

Diese Beweise zeigen, dass Misshandlungen im Zuge von Verhören nicht nur Vergehen vereinzelter Soldaten sind, sondern vielmehr eine von der US-Regierung bewusst eingesetzte Strategie. Diese Politik erschwert es Washington, andere Staaten zu überreden oder zu drängen, die völkerrechtlichen Bestimmungen zu wahren, heisst es in dem einleitenden Artikel des 532-seitigen Berichts.

"Die Bekämpfung des Terrorismus ist ein zentrales Element beim Kampf für die Einhaltung von Menschenrechten", meint Kenneth Roth, Direktor von Human Rights Watch. "Der Einsatz illegaler Taktiken gegen vermeintliche Terroristen ist jedoch unrecht und kontraproduktiv."

Roth erklärt weiter, dass diese illegalen Methoden nur die Rekrutierung von Terroristen ankurbeln, die Unterstützung der Öffentlichkeit für den Anti-Terror-Kampf untergraben und eine Gruppe von Gefangenen schafft, die strafrechtlich nicht verfolgt werden können.

US-Alliierte wie Großbritannien und Kanada haben es nicht nur versäumt, eine führende Rolle im Bereich der Menschenrechte zu übernehmen, sie haben darüber hinaus sogar versucht, wichtige internationale Schutzmechanismen zu untergraben. So versuchte Großbritannien, Verdächtige an Staaten abzuschieben, in denen es zu Folterungen kommt, und stützte seine Entscheidung auf bedeutungslose Zusicherungen, die Gefangenen würden gut behandelt. Kanada bemühte sich, ein neues Abkommen aufzuweichen, das Verschwindenlassen gesetzlich verbietet. Die Europäische Union vernachlässigt Menschenrechte in Ländern, die für die Terrorismusbekämpfung als nützlich angesehen werden, dazu gehören Länder wie Russland, China und Saudi-Arabien.

Zahlreiche Länder, darunter Usbekistan, Russland und China, bedienten sich des Vorwands des "Kampfs gegen den Terrorismus", um politische Gegner anzugreifen und stempelten diese als "islamische Terroristen" ab.

Human Rights Watch dokumentierte zahlreiche ernste Vergehen, die nichts mit der Terrorismusbekämpfung zu tun hatten. Die Regierung Usbekistans brachte im Mai in einem Massaker in Andischan Hunderte von Demonstranten um. Die sudanesische Regierung verstärkte ihre "ethnische Säuberung" in der westsudanesischen Provinz Darfur. Und aus der Demokratischen Republik Kongo und Tschetschenien wurden anhaltende Gräueltaten gemeldet. In Burma, Nordkorea, Turkmenistan, Tibet und in der chinesischen Region Xinjiang kam es weiterhin zu gravierenden Unterdrückungen, während die Zivilgesellschaft in Syrien und Vietnam mit starken Einschränkungen leben musste. In Zimbabwe kam es zu massiven, politisch motivierten Zwangsvertreibungen.

Es gab 2005 aber auch Lichtblicke in den Bestrebungen des Westens, Menschenrechte in Burma und Nordkorea zu schützen. In einigen Entwicklungsländern gab es Beispiele von positiver Einflussnahme: Nach dem Staatsstreich des Königs in Nepal stellte Indien den Großteil seiner militärischen Unterstützung für Nepal ein. Die Vereinigung Südostasiatischer Staaten zwang Burma dazu, auf Grund der erschreckenden Menschenrechtssituation in diesem Land auf seinen ASEAN-Vorsitz im Jahr 2006 zu verzichten. Mexiko spielte eine führende Rolle dabei, die Vereinten Nationen von der Notwendigkeit eines Sonderbeauftragten für Menschenrechte in der Terrorismusbekämpfung zu überzeugen. Kirgisien hielt dem starken Druck Usbekistans stand und rettete alle bis auf vier der 443 Flüchtlinge des Andischan-Massakers, und Rumänien bot den Flüchtlingen vorübergehende Zuflucht.

Da die westlichen Länder oft versäumten, eine Führungsrolle zu übernehmen, wurde es in manchen Fällen Russland und China überlassen, wirtschaftliche, soziale und politische Bündnisse einzugehen, ohne auf die Menschenrechte Rücksicht zu nehmen.

Im einführenden Artikel zum Weltbericht meint Roth, 2005 hätte gezeigt, dass die Misshandlung von Gefangenen seitens der USA nicht einfach mangelnder Ausbildung, Disziplin oder Kontrolle zuzuschreiben und auf ein paar "faule Äpfel" zurückzuführen sei, sondern dass diese Methoden eine bewusste politische Entscheidung der obersten Führungsränge darstellen.

Beweis für diese bewusst gewählte Vorgehensweise ist laut Roth auch die Drohung von Präsident Bush, gegen ein Gesetz Einspruch zu erheben, das "grausame, unmenschliche und erniedrigende Behandlung" unterbinden sollte, sowie Vizepräsident Dick Cheneys vorheriger Versuch, die CIA von diesem Gesetz auszunehmen. Darüber hinaus behauptete Generalstaatsanwalt Alberto Gonzales, die USA könne Gefangene misshandeln, solange sie keine amerikanischen Staatsbürger seien und im Ausland festgehalten werden. Und CIA-Direktor Porter Goss hält das "Waterboarding", eine aus der spanischen Inquisition stammende Foltermethode, für eine "professionelle Verhörmethode".

"Es ist nicht mehr glaubwürdig, die Anwendung von Folter und Misshandlungen als Missgeschicke von Soldaten niedrigen Ranges während der Nachtschicht abzutun", meint Roth. "Die Bush-Regierung muss einen Sonderankläger ernennen, der diese Vergehen untersucht, während der Kongress einen unabhängigen Untersuchungsausschuss mit Vertretern beider Parteien einrichten sollte."

Der Weltbericht 2006 von Human Rights Watch enthält Umfragedaten zu Menschenrechtsentwicklungen im Jahr 2005 in mehr als 70 Ländern. Zusätzlich zu dem einleitenden Artikel über Folter enthält der Bericht zwei weitere
Leitartikel: "Private Companies and the Public Interest: Why Corporations Should Welcome Global Human Rights Rules" (Private Firmen und das offentliche Interesse: Warum Unternehmen globale Richtlinien für Menschenrechte unterstützen sollten) und "Preventing the Further Spread of
HIV/AIDS: The Essential Role of Human Rights" (Die Ausbreitung von HIV/Aids
verhindern: Die wichtige Rolle der Menschenrechte).

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