HUMAN RIGHTS WATCH

China

Länderkapitel aus dem World Report 2008

China behauptet offiziell, die Austragung der Olympischen Spiele 2008 werde zur Stärkung der Menschenrechte im Land beitragen. Doch die chinesische Regierung schränkt die Grundrechte ihrer Bürger, insbesondere das Recht auf freie Meinungsäußerung, die Vereinigungsfreiheit und die Religionsfreiheit, ein oder verweigert diese ganz.

Der Polizei- und Sicherheitsapparat der Regierung unterwirft Bürgerrechtler, Regimekritiker und Demonstranten weiterhin einem mehrstufigen Kontrollregime. Dies umfasst administrative Maßnahmen, Einschränkungen bei der Berufswahl, Reisebeschränkungen im In- und Ausland, die offene oder verdeckte Überwachung von Telefon- und Internetverbindungen, Entführungen und Isolationshaft sowie rechtlich nicht legitimierten Hausarrest. Eine Vielzahl ungenau definierter Straftatbestände wie „Anstiftung zum Staatsstreich“, „Weitergabe von Staatsgeheimnissen” und „Störung der öffentlichen Ordnung” bieten der Führung umfassende rechtliche Grundlagen, um kritische Stimmen zu unterdrücken.  
 
Menschenrechte vor den Olympischen Spielen 2008  
Vom 1. Januar 2007 bis zum 17. Oktober 2008 gelten befristete Bestimmungen, wonach Journalisten alle Personen befragen dürfen, die sich dazu bereit erklären. Dennoch werden ausländische Korrespondenten weiter von Regierungs- und Polizeibeamten schikaniert, inhaftiert und eingeschüchtert. Die befristeten Regelungen gelten nicht für einheimische Journalisten, Informanten und chinesische Assistenten ausländischer Korrespondenten. Bei Verstößen gegen offizielle Richtlinien zu Themen, über die nicht berichtet werden soll, drohen ihnen Vergeltungsmaßnahmen.  
 
Um unerwünschte Personen vor den Olympischen Spielen aus Peking zu entfernen, haben die Behörden die Vertreibung von Bittstellern aus den Provinzen beschleunigt. Die Bittsteller kommen nach Peking, um ihre Anliegen - von illegaler Enteignung bis hin zu Korruption im öffentlichen Sektor - vor Gericht zu bringen und Entschädigung zu fordern. Im September und Oktober ließ die Stadtverwaltung von Peking eine Siedlung im Distrikt Fengtai abreißen, in der über 4.000 Bittsteller wohnten.  
 
Der Countdown zu den Olympischen Spielen hat einen Bauboom ausgelöst, der von etwa einer Million Wanderarbeitern getragen wird. Sie leiden jedoch unter den harten und gefährlichen Arbeitsbedingungen und haben häufig keinen Zugang zu staatlichen Leistungen. Als beim Einsturz eines U-Bahn-Tunnels im März sechs Bauarbeiter eingeschlossen wurden, sammelte ihr Aufseher zuallererst die Mobiltelefone aller Arbeiter ein, damit sie den Unfall nicht melden konnten.  
 
Freie Meinungsäußerung  
Im Jahr 2007 verschärfte die chinesische Führung zunehmend die Kontrolle über die sich dynamisch entwickelnden Print- und Onlinemedien. Sie ging gegen Privatpersonen, Journalisten und Herausgeber vor, die sich nicht an die restriktiven, jedoch widersprüchlich angewandten Gesetze und Richtlinien hielten.  
 
Das chinesische System der Überwachung und Zensur des Internets ist weltweit einzigartig. Technologien zum Filtern, Blockieren und Überwachen sind in alle Ebenen der chinesischen Internet-Infrastruktur eingebaut. Zehntausende Polizeibeamte kontrollieren das Internet rund um die Uhr. Das raffinierte Kontrollsystem profitiert von umfangreichen Kooperationen mit Privatpersonen und Unternehmen - unter ihnen einige der weltweit führenden Technologie- und Internetkonzerne wie Google, Yahoo und Microsoft. Autoren, Redakteure, Blogger, Webmaster und Journalisten, die Nachrichten ins Ausland schicken oder systemkritische Artikel veröffentlichen, riskieren Strafen von fristloser Kündigung bis hin zu Strafverfahren und langen Haftstrafen. Zhang Jianhong, der ehemalige Chefredakteur des Internetportals Aegean Sea, wurde am 19. März wegen „Anstiftung zum Staatsstreich“ zu sechs Jahren Haft verurteilt.  
 
Im Vorfeld der Olympischen Spiele senkten die chinesischen Zensoren die Schwelle für „sensible” Inhalte im Internet. Im vergangenen Jahr ordneten sie die Sperrung Tausender Websites an, darunter beliebte internationale Portale wie Wikipedia und Flickr. Neben seit langem angewandten Kriterien, wie der Erwähnung des Tiananmen-Massakers von 1989, dem gesetzlich verbotenen „bösen Kult“ der Falun-Gong-Bewegung und Sympathiebekundungen für „Separatisten“ in Tibet, Xinjiang und Taiwan, unterliegt nunmehr jede „nicht genehmigte“ Berichterstattung über Naturkatastrophen, Korruption und alles, was die Kommunistische Partei Chinas in Verlegenheit bringen könnte, der Internetzensur. Offiziellen Schätzungen zufolge wurden seit April 2007 mehr als 18.000 persönliche Blogs und Internetseiten geschlossen. Im August weiteten die Zensoren ihre Aktivitäten aus und schlossen zahlreiche Rechenzentren. Vor Beginn des 17. Parteikongresses im Oktober nahmen die Maßnahmen zur Filterung oder Löschung „sensibler“ Inhalte auf chinesischen Internetseiten deutlich zu.  
 
Chinesischen Journalisten drohen weiterhin schwere Repressionen, wenn sie über offizielle Tabuthemen berichten wollen oder wenn ihre Recherchen einflussreiche Privatinteressen bedrohen. Miao Wei, ehemaliger Chefredakteur des Magazins Sanilian Life Weekly, bestätigte im April, dass er im Zusammenhang mit einer Titelgeschichte über die Folgen der Kulturrevolution (1966-1976) auf eine schlechtere Position versetzt worden sei. Lan Chengzhang, Korrespondent der China Trade News, wurde im Januar während seiner Ermittlungen über ein illegales Kohlebergwerk in Datong in der Provinz Shanxi ermordet. Als Mitte August fünf Journalisten, unter ihnen ein Korrespondent des Parteiorgans People's Daily, Augenzeugen eines Brückeneinsturzes in Fenghuang in der Provinz Hunan befragten, griffen Rowdys in Zivilkleidung die Reporter mit Schlägen und Fußtritten an. Im Anschluss daran nahm die Polizei die Journalisten fest.  
 
Reform des Rechtssystems  
Die Reform des Rechtssystems wurde im vergangenen Jahr stark vorangetrieben. Damit sollte das von der Kommunistischen Partei vorgegebene Ziel erreicht werden, den Rechtsstaat zum „wichtigsten Mittel beim Regieren des Landes“ zu machen. Auf vielen Rechtsgebieten wurden neue Gesetze verabschiedet, etwa zu Eigentumsrechten, Arbeitsverträgen, der Zulassung von Anwälten, dem Zugang zu öffentlichen Unterlagen und zum Katastrophenschutz. Dennoch machen die ständige Behinderung und Bevormundung der Rechtsinstitutionen durch die Kommunistische Partei und die inkonsequente Umsetzung richterlicher Anordnungen das Rechtssystem insgesamt anfällig für willkürliche Beeinflussung.  
 
Gewöhnliche Bürger treffen auf immense Hindernisse im Justizsystem, insbesondere in Fällen illegaler Enteignung, nicht bezahlter Löhne, Zwangsumsiedlung, Umweltverschmutzung, Korruption und Machtmissbrauch in den Provinzbehörden – Missstände, die zu wachsenden sozialen Unruhen führen. Die Behörden veröffentlichen keine Statistiken mehr über Ausschreitungen und Demonstrationen, seitdem sie für 2007 einen Rückgang der Zahlen gegenüber dem Vorjahr bekannt gegeben hatten. 2006 gab es über 200 solcher Vorfälle pro Tag. Im vergangenen Jahr meldeten jedoch fast alle 34 Provinzen größere Protestkundgebungen. An einigen Demonstrationen, etwa im März 2007 in Yongzhou (Hunan) und im Juni in Xiamen (Fujian), nahmen Zehntausende Menschen teil. Hochrangige Sicherheitsbeamte nahmen diese Zunahme sozialer Konflikte in Reden und Aufsätzen zur Kenntnis, wollten aber die Unabhängigkeit der Justiz nicht fördern. Stattdessen beschuldigten sie „feindselige“ oder „gegnerische“ Kräfte, sie wollten das Rechtssystem dazu nutzen, China zu schwächen und zu verwestlichen. Einigen Anwälten, die in Verfahren über Menschenrechtsverletzungen als Verteidiger aufgetreten waren, wurde das Mandat oder sogar die Lizenz entzogen. Als Grundlage dafür dient ein System jährlich zu erneuernder Lizenzen, das Anwälte von der Übernahme offiziell als „sensibel“ eingestufter Fälle abschrecken soll.  
 
Die Rechte von Angeklagten in Strafverfahren unterliegen immer noch engen Einschränkungen und werden von den Vollzugsbehörden missachtet. Strafverteidiger werden schikaniert, wodurch Haftbesuche bei Mandanten, die Einsicht von Gerichtsunterlagen und das Vorlegen entlastenden Beweismaterials vor Gericht erschwert werden. Obwohl der Oberste Volksgerichtshof im September urteilte, dass Richter „Beweismaterial aufmerksamer lesen und Geständnisse hinterfragen“ sollen, ist Folter, insbesondere vor der Eröffnung der Verhandlungen, immer noch weit verbreitet. Das Büro für öffentliche Sicherheit verwendet nach wie vor das System der „Umerziehung durch Arbeit“, um gegen politische und religiöse Dissidenten vorzugehen. Das Verfahren erlaubt die Internierung ohne Gerichtsverfahren für bis zu vier Jahre schon bei „geringfügigen Delikten“.  
 
Menschenrechtsverteidiger  
Chinesische Menschenrechtler stützen sich auf das offizielle Versprechen verbesserter Rechtsstaatlichkeit und werden immer entschlossener und geschickter bei der Dokumentation und Anklage von Menschenrechtsverletzungen. Die Behörden, die unabhängige Menschenrechtsuntersuchungen noch nie geduldet haben, reagieren mit Drohungen, rechtswidrigen Festnahmen, Entführungen und langen Haftstrafen, oft unter erfundenen Anschuldigungen.  
 
Auch die Weiquan-Bewegung, ein kleines, kaum strukturiertes Netzwerk von Anwälten, Rechtswissenschaftlern und Journalisten, das sich in Gerichtsverfahren für mehr soziale Gerechtigkeit und den Schutz verfassungsmäßiger Rechte einsetzt, ist ins Visier der Behörden geraten. Die Gruppe konzentriert sich auf die Verteidigung gewöhnlicher Bürger in Verfahren um Landenteignung, Wohn- und Bodenrecht, Arbeiterrechte und Misshandlung durch die Polizei. Im Juli wurde der Bürgerrechtler Yang Chunlin, der sich für den Schutz der Bodenrechte einsetzt, festgenommen und wegen versuchten Staatsstreichs angeklagt. Er hatte eine Petition mit dem Titel „Wir wollen Menschenrechte, nicht die Olympischen Spiele“ organisiert. Der ehemalige Dozent und Menschenrechtler Lu Gengsong, der Fälle illegaler Räumungen und behördlicher Vertuschung dokumentiert hatte, wurde im August unter dem Verdacht subversiver Handlungen festgenommen. Beide warten derzeit auf ihren Prozess. Ebenfalls im August wurde der Umweltschützer Wu Lihong aufgrund unklarer Betrugsanschuldigungen zu drei Jahren Haft verurteilt; seine Frau gab an, er sei in Isolationshaft festgehalten und gefoltert worden. Yang Maodong, ein Bürgerrechtsanwalt aus Guangzhou, der im September 2006 verhaftet wurde und derzeit auf seinen Prozessbeginn wartet, berichtete ebenfalls, er sei wiederholt gefoltert worden.  
 
Besonders gefährdet sind Menschenrechtler, die über Misshandlungen anderer Aktivisten berichten. Im September wurde der Anwalt Li Heping am helllichten Tage entführt, sechs Stunden lang festgehalten, brutal geschlagen und ihm wurde empfohlen, Peking zu verlassen. Dem bekannten Menschenrechtsanwalt Li Jianqiang wurde ohne Begründung die Lizenz entzogen. Die Menschenrechtlerin Hu Jia musste den Großteil des Jahres unter nicht rechtlich legitimiertem Hausarrest in Peking verbringen. Gegen Yuan Weijing, Frau des blinden Dissidenten Chen Guangcheng, der Menschenrechtsverletzungen im Zuge der staatlich gelenkten „Familienplanung“ aufgedeckt hatte und der zurzeit eine dreijährige Haftstrafe absitzt, wurde ein Reiseverbot verhängt. Sie musste eine geplante Auslandreise absagen, auf der sie stellvertretend für ihren Mann einen Menschenrechtspreis entgegennehmen sollte.  
 
Arbeiterrechte  
Chinesischen Arbeitern ist es immer noch verboten, unabhängige Gewerkschaften zu gründen. Die Regierung beteuert, dass der parteinahe Chinesische Gewerkschaftsbund (ACFTU) die Rechte der Arbeiter ausreichend schütze. Diese gesetzliche Einschränkung der Arbeiterbewegung und sich zuspitzende Konflikte mit Arbeitgebern, in denen Arbeiter kaum realistische Aussichten auf eine Verbesserung ihrer Lage sehen, trugen dazu bei, dass immer mehr Arbeiter auf die Straße gingen und bei den Gerichten Hilfe suchten. Sie reichten Klagen über erzwungene oder unbezahlte Überstunden, Verletzungen der Mindestlohnstandards, nicht ausgezahlte Gehälter und Renten sowie gefährliche Arbeitsbedingungen ein.  
 
Wenn Arbeiter an Streiks zur Verbesserung ihrer Lage teilnahmen, wurden sie oft Opfer von Schlägertrupps, die offenbar im Auftrag der Arbeitgeber handeln. Im Juli griff eine Gruppe von etwa 200 mit Spaten, Äxten und Stahlrohren bewaffneten Schlägern in Heyuan (Guangdong) eine Gruppe von Arbeitern an, die dagegen protestierten, dass ihnen seit vier Monaten keine Löhne mehr bezahlt worden waren. Ein Demonstrant wurde zu Tode geprügelt.  
 
Kinderrechte  
Das Bildungsministerium ruft ärmere Regionen dazu auf, mit „Arbeits- und Ausbildungsprogrammen“ Einkünfte zu erzielen, um Haushaltslücken zu schließen. Laut Angaben des Ministeriums nehmen in ganz China über 400.000 Schüler im Alter von 12 bis 16 Jahren an Programmen in Landwirtschaft und Industrie teil. Die unklaren Programmrichtlinien haben zum chronischen Missbrauch durch Ausbildungseinrichtungen und Arbeitgeber geführt. Einige Programme behindern die Schulbildung der Kinder, verstoßen gegen grundlegende Sicherheits- und Gesundheitsstandards und sind mit langen Arbeitszeiten verbunden. Bereits Zwölfjährige übernehmen schwere Arbeiten in der Landwirtschaft und arbeiten auf gefährlichen Baustellen. Andere Kinder werden im Sommer mehrere Wochen oder Monate in örtlichen Fabriken eingesetzt. Aus manchen Schulen sind voll ausgestattete Werkstätten geworden, in denen Güter und Lebensmittel für den örtlichen Bedarf hergestellt werden und nur noch wenige Stunden pro Woche unterrichtet wird.  
 
Frauenrechte  
Geschlechtsspezifische Diskriminierung und Gewalt sind immer noch tief verwurzelt in China. Obwohl häusliche Gewalt immer mehr Beachtung findet, ist das Problem besonders in ländlichen Regionen weiterhin kaum im öffentlichen Bewusstsein und der Zugang zu Hilfsmaßnahmen ist schlecht. Da viele Eltern männliche Nachkommen bevorzugen, kommt es zu Abtreibungen, die vom Geschlecht des Kindes abhängen. Weibliche Babys erhalten oft eine schlechtere medizinische Versorgung, was zu einer erhöhten Säuglingssterblichkeit bei Mädchen geführt hat. In extremen Fällen werden weibliche Nachkommen ermordet oder an Menschenhändler verkauft.  
 
HIV/AIDS  
Im September erklärte ein leitender Beamter der Zentralregierung, Chinas HIV/AIDS-Problem sei in einigen Provinzen aufgrund des dortigen Drogenhandels und des Verkaufs illegaler Blutkonserven „sehr ernst“. Doch trotz offizieller Beteuerungen, allen Maßnahmen zur Eindämmung von HIV/AIDS höchste Priorität zu geben, gingen Provinzbehörden 2007 weiter gegen Aktivisten und Bürgerrechtsorganisationen vor.  
 
Dem Arzt Dr. Gao Yaojie, der den Skandal um HIV-verseuchte Blutkonserven in Henan aufgedeckt hatte, wurde im Februar verboten, für die Verleihung eines Menschenrechtspreises in die USA zu reisen. Erst der internationale Aufschrei über das Verbot zwang die Regierung, die Entscheidung zurückzunehmen. Im August erzwang die Regierung die Absage zweier Versammlungen von HIV/AIDS-Aktivisten in Guangzhou (Guangdong) und Kaifeng (Henan). Am 15. August ordneten Beamte des Büros für öffentliche Sicherheit in Henan ohne Begründung die vorübergehende Schließung zweier Lokalbüros des AIDS-Projekts China Orchid an.  
 
Im September verkündete die Zentralregierung, ab 1. Januar 2008 verpflichtende Tests für alle Blutprodukte einzuführen, um die Übertragung von HIV und anderen Krankheiten durch Transfusionen und pharmazeutische Produkte zu verhindern. Die Tests sind ein bedeutender Fortschritt, um die Ausbreitung von HIV/AIDS zu stoppen.  
 
Religionsfreiheit  
Die chinesische Regierung erkennt die Glaubensfreiheit offiziell an. Sie beschränkt die Religionsausübung jedoch auf ein staatlich überwachtes System registrierter und kontrollierter Kirchen, Gemeinden, Moscheen, Klöster und Tempel.  
 
Im Rahmen des amtlichen Registrierungsprozesses werden religiöse Veröffentlichungen, Bewerber für das Priesteramt sowie von den Religionsgemeinschaften angestelltes Personal von der Regierung überwacht und ständig kontrolliert. Die Regierung überwacht auch die Mitgliederverzeichnisse und Finanzen religiöser Institutionen und behält sich vor, Anträgen für größere Aktivitäten von Religionsgemeinschaften zuzustimmen oder sie abzulehnen. Gruppen, die sich nicht registrieren lassen, gelten als illegal und müssen mit Strafverfolgung, Geldstrafen und Schließung rechnen.  
 
Zu den Repressalien gegen nicht registrierte Religionsgemeinschaften gehören vor allem die Festnahme von Protestanten, die sich in so genannten Hauskirchen zum Bibelstudium und zur religiösen Ausbildung treffen. Die meisten von ihnen werden rasch – oft nach Zahlung von Bußgeldern – wieder entlassen. Die Leiter der Untergrundkirchen werden jedoch häufig unter fingierten Anklagen wegen „illegaler Geschäftspraktiken“ festgehalten. Einige von der Regierung als „böse Kulte“ deklarierte Gruppen, etwa die Falun-Gong-Bewegung, leiden weiter unter massiven Einschränkungen der Religionsfreiheit.  
 
Zwangsumsiedlung  
Zwangsumsiedlungen in immer größerem Ausmaß waren mit weit verbreiteten Unregelmäßigkeiten verbunden. Sie wurden im Jahr 2007 im Zuge von Infrastruktur-, Umwelt- und Urbanisierungsprojekten in ganz China durchgeführt. Oft waren die Zwangsumsiedlungen begleitet von mangelnder Konsultation mit den Betroffenen, Zwangsräumungen und Fällen von Veruntreuung und Korruption. Im Oktober gab Peking bekannt, weitere vier Millionen Menschen sollten aus Gebieten um den Drei-Schluchten-Damm, dem größten Staudammprojekt der Welt, umgesiedelt werden.  
 
Zahlreiche Programme zur Umsiedlung indigener Bevölkerungsgruppen aus Gebieten mit fragilem Ökosystem, wie etwa der Tibetischen Hochebene, werden scheinbar teilweise mit dem Ziel der nationalen Integration durchgeführt. Dadurch sollen kulturelle Minderheiten geschwächt und Chinas Einfluss auf ihren Lebensstil ausgeweitet werden. Die Kampagne der Zentralregierung zur Zwangsumsiedlung tibetischer Hirten aus Tibet, Gansu, Qinghai und Sechuan in städtische Gebiete bedroht die traditionelle Lebensweise und die Existenzgrundlage der etwa 700.000 umgesiedelten Menschen. Im September kündigte die Regierung die Umsiedlung weiterer 100.000 Nomaden aus der Provinz Qinghai an.  
 
Tibet  
Die Führung in Peking beschuldigt den Dalai Lama, der seit 1959 im Exil in Indien lebt, hinter angeblichen Plänen zur Abspaltung Tibets von China zu stehen. Nach offizieller Meinung unterstützt der tibetanische Buddhismus das Unabhängigkeitsstreben, und China protestierte heftig gegen Treffen des Dalai Lama mit amerikanischen, australischen, österreichischen und deutschen Politikern im Jahr 2007.  
 
Zahlreiche und weit verbreitete Repressalien richten sich gegen Durchschnittsbürger, Mönche, Nonnen und sogar Kinder und sollen den angeblichen „Separatismus“ unterdrücken. Im September wurden in der Provinz Gansu sieben tibetische Jungen über einen Monat lang inhaftiert, nachdem sie angeblich das Gebäude einer Polizeiwache und andere Wände mit Parolen beschmiert hatten, die die Rückkehr des Dalai Lama und ein freies Tibet forderten. Am 1. August wurde Ronggyal Adrak festgenommen und wegen Verstößen gegen die öffentliche Sicherheit angeklagt, nachdem er auf einem Pferderennen in der Provinz Sichuan die Rückkehr des Dalai Lama gefordert hatte. Er wartet derzeit auf seinen Prozess.  
 
Xinjiang  
Die drastischen Kontrollen der religiösen, kulturellen und politischen Äußerungen von Muslimen in der autonomen uigurischen Region Xinjiang fanden auch 2007 weiterhin statt. Xinjiang ist neben Tibet die einzige Provinz in China, in der ethnische Chinesen nicht in der Mehrheit sind, obwohl im vergangenen Jahrzehnt über eine Million Menschen aus anderen Landesteilen eingewandert sind. Die Regierung duldet religiöse Aktivitäten nur in staatlich kontrollierten Einrichtungen und unter der Leitung von Geistlichen, die von den Behörden ernannt wurden. Minderjährigen ist die Teilnahme an religiösen Handlungen, mancherorts auch der Zutritt zu Moscheen, verboten.  
 
Im Juni begannen die Behörden in Xinjiang, die Pässe muslimischer Bürger zu konfiszieren. Dieses Vorgehen sollte offensichtlich verhindern, dass die Muslime nicht genehmigte Pilgerreisen nach Mekka antreten. Angestellte des öffentlichen Dienstes, Lehrer und Geistliche erhalten eindringliche Belehrungen über die „drei bösen Kräfte“ - Separatismus, religiösen Extremismus und Terrorismus. Bei einer Razzia in einem mutmaßlichen „terroristischen Ausbildungslager“ der Islamischen Bewegung Ost-Turkestan wurden im Januar 18 Menschen getötet und 17 Personen verhaftet. Unabhängige Experten zweifeln seit 2001 an der Existenz dieser Gruppe. Im November wurde einer der Festgenommenen zu lebenslanger Haft und fünf weitere zum Tode verurteilt. Sie waren wegen verschiedener terroristischer Straftaten angeklagt worden. Es gibt umfangreiches Beweismaterial dafür, dass die Regierung einzelne Vorfälle missbraucht, um jede öffentliche Kritik mit Terrorismus oder Separatismus gleichzusetzen. Chinesische Behörden nannten die im Exil lebende und für den Nobelpreis nominierte Menschenrechtlerin Rebiya Kadeer eine Terroristin. Im April 2007 wurde ihr Sohn Ablikim Abdiriyim zu neun Jahren Gefängnis verurteilt, weil er „im Internet sezessionistische Artikel veröffentlicht hatte“. Huseyincan Celil, ein ehemaliger politischer Gefangener, der im Jahr 2000 aus China geflohen war, wurde 2006 von den usbekischen Behörden nach China abgeschoben und dort im April 2007 zu lebenslänglicher Haft verurteilt. China erkannte seine kanadische Staatsbürgerschaft nicht an und verweigerte kanadischen Diplomaten die Beobachtung seines Prozesses.  
 
Hongkong  
Die Regierung der Sonderverwaltungsregion hat noch immer nicht erklärt, wie sie zwei Auflagen des Basic Law (Hongkongs Verfassung) erfüllen will, die weit reichende Auswirkungen auf die Menschenrechte haben. Die Auflagen fordern die Direktwahl des Regierungschefs und die Verabschiedung von Gesetzen zum Staatsschutz gemäß Artikel 23. Trotz des angemessenen Rechtsrahmens zum Schutz der Meinungsfreiheit beklagen Journalisten die verbreitete Selbstzensur der Medien, insbesondere bei der Berichterstattung über andere Teile Chinas.  
 
Internationale Gemeinschaft  
China beschreibt sich als „verantwortungsbewusste Macht”. Dieser Bezeichnung widerspricht Chinas Widerstand im UN-Sicherheitsrat und im UN-Menschenrechtsrat gegen entschiedene Reaktionen auf schwere Menschenrechtsverletzungen und gegen Maßnahmen, die einzelne Länder zur Verantwortung ziehen. China setzt seinen politischen Einfluss in internationalen Institutionen zunehmend dafür ein, Kritik an seiner Politik zu verhindern. So zwang die Pekinger Führung die Weltbank im Juni, Informationen über die Auswirkungen der Umweltverschmutzung in China aus dem Entwurf eines Berichts zu streichen. China widersetzt sich Aufforderungen der Büros des Sonderberichterstatters für Nordkorea und des UN-Flüchtlingskommissars (UNHCR), in der Frage des Status' von Nordkorea zu kooperieren.  
 
Hauptsächlich aufgrund beträchtlichen internationalen Drucks unternahm China konkretere und öffentliche Schritte, um zur Lösung der Menschenrechtskrise in Darfur beizutragen. Die Regierung ernannte einen neuen Sondergesandten für Darfur und erklärte sich bereit, Blauhelmsoldaten zu stellen. Dennoch trug sie durch die ständige Blockierung internationaler Sanktionen dazu bei, dass das Regime in Khartum seine brutale Politik fortsetzen konnte. Obwohl sich China nach der Gewalt in Burma im August und September der deutlichen Kritik des UN-Sicherheitsrates angeschlossen hatte, weigerte es sich weiterhin, selbst deutliche Worte an die Regierung Burmas zu richten. Auch trifft das Land keine Maßnahmen, um die Krise zu beenden, wie etwa einen Stopp aller militärischer Hilfe und Zusammenarbeit.  



Zu diesem Thema

Länderkapitel zur EU
http://www.hrw.org/german/docs/2008/01/31/eu17937.htm

Vollständiger World Report 2008 (Englisch)
http://www.hrw.org/wr2k8/

Pressemitteilung zur Veröffentlichung des World Report 2008
http://www.hrw.org/german/docs/2008/01/31/usint17946.htm