Die Vereinigten Staaten von Amerika waren eine von nur sieben Nationen (zusammen mit China, Irak, Libyen, Jemen, Katar und Israel), die 1998 gegen das Römische Statut des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) stimmten.
Die Feindseligkeit der Bush-Regierung gegenüber dem IStGH hat im Jahr 2002 dramatisch zugenommen. Die amerikanische Regierung befürchtet vor allem, dass der IStGH seine Gerichtsbarkeit dazu nutzen könnte, politisch motivierte Ermittlungen und Verhandlungen gegen amerikanische Militärangehörige und politische Führungskräfte und Beamte einzuleiten. Der Widerstand der USA steht im scharfen Kontrast zu der Stellung von Amerikas Verbündeten - die fast alle den Gerichtshof unterstützen.
In einem beispiellosen diplomatischen Manöver zog die Bush-Regierung am 6. Mai effektiv die amerikanische Unterschrift unter den Vertrag zurück. Zu dem Zeitpunkt erklärte der Botschafter für Kriegsverbrechensangelegenheiten, Pierre-Richard Prosper, die Regierung würde gegen das Gericht "keinen Krieg führen". Diese Aussage hat sich jedoch als falsch erwiesen. Die Aufkündigung des Vertrages ebnete den Weg für eine umfassende amerikanische Kampagne zur Unterminierung des IStGHs.
Als erstes handelte die Bush-Regierung einen Sicherheitsratsbeschluss zur Befreiung von an UN-Friedenssicherungseinsätzen beteiligtem US-Personal aus. Jedoch wurde vergangenen Mai eine Befreiung von US-Personal, das in Ost-Timor stationiert ist, nicht genehmigt. Im Juni legte die Bush-Regierung ein Veto gegen die Verlängerung des UN-Mandates für Bosnien-Herzegowina ein, falls der Sicherheitsrat nicht eine vollständige Befreiung des US-Personals erteilte. Obwohl die Vereinigten Staaten letztendlich keine absolute Befreiung erwirken konnten, bewilligte der Sicherheitsrat eine beschränkte einjährige Ausnahmeregelung für US-Personal, das an UN- Einsätzen teilnimmt. Auch hat der Sicherheitsrat schon jetzt angedeutet, dass er diese Ausnahmeregelung am 30. Juni nächsten Jahres verlängern wird.
Als zweites forderte die Bush-Regierung Staaten auf der ganzen Welt zur Unterzeichnung von bilateralen Sonderabkommen auf, die es verbieten würden US-Staatsbürger an den IStGH auszuliefern. Ziel dieser Abkommen ("Nichtauslieferungsabkommen" oder so genannte "Artikel 98 Abkommen") ist es, US-Staatsbürger von der Gerichtsbarkeit des IStGH zu befreien. Effektiv führen solche Abkommen zu einer Justiz, die im Hinblick auf die schwerwiegendsten Verbrechen mit zweierlei Maß misst: ein Standard für US-Staatsbürger, eine anderer, für den Rest der Welt. Human Rights Watch rät daher dringend, dass Regierungen das Nichtauslieferungsabkommen mit den Vereinigten Staaten nicht unterzeichnen..
Drittens hat der US-Kongress die Bemühungen der Bush-Regierung um die Unterzeichnung von bilateralen Nichtauslieferungsabkommen unterstützt. Der Kongress verabschiedete die Gesetzesvorlage zum Schutz amerikanischer Militärangehöriger ("American Servicemembers' Protection Act - ASPA"), die mit der Unterzeichnung durch Präsident Bush am 3. August geltendes Gesetz wurde. Die IStGH-feindlichsten Bestimmungen des ASPA sind:
- Verbot der amerikanischen Zusammenarbeit mit dem IStGH;
- Bestimmung zur "Invasion von Den Haag", die es dem Präsidenten erlaubt, "alle notwendigen und angemessenen Mittel einzusetzen", um durch den IStGH inhaftiertes US-Personal (und bestimmtes verbündetes Personal) zu befreien;
- Bestrafung von Staaten, die dem IStGH beitreten: Ablehnung militärischer Hilfe an IStGH-Vertragsstaaten (außer bei wichtigen US-Verbündeten);
- Verbot einer US-Beteiligung an Friedenssicherungseinsätzen, wenn der IStGH dem US-Personal keine Immunität gewährt.
Jedoch sind alle diese Bestimmungen durch Verzichtbestimmungen aufgewogen, die es dem Präsidenten in Fällen "des nationalen Interesses" erlauben, die Auswirkungen des ASPA aufzuheben. Die Verzichtbestimmungen machen den ASPA sinnlos.
Human Rights Watchs Standpunkt
Human Rights Watch wendet sich entschieden gegen die Vorgehensweise der Bush-Regierung im Bezug auf den IStGH. Der Gerichtshof ist eine internationale Realität. Durch IStGH-feindliche Gesetze und Nichtauslieferungsabkommen setzen sich die Vereinigten Staaten auf eine Ebene mit den Pariastaaten des internationalen Strafrechtssystems (wie z.B. Libyen). Vor allem aber ist Human Rights Watch besorgt, dass die Haltung der Bush-Regierung bezüglich des IStGH dazu führen wird, dass amerikanische Bemühungen, Koalitionen gegen Menschenrechtsverletzungen aufzubauen, an Glaubwürdigkeit verlieren werden. Weiterhin sind wir besorgt, dass künftige amerikanische Bemühungen das internationale Recht in bestimmten Fällen, wie bei der NATO Festnahme von Kriegsverbrechern auf dem Balkan oder bei der Kriegsverbrechensanklage gegen Saddam Hussein voranzutreiben, unterminiert werden.
Für Human Rights Watch ist die Hauptauswirkung der Kampagne der Bush-Regierung gegen den IStGH der Verlust an Glaubwürdigkeit, was amerikanische Bemühungen zum Aufbau von Koalitionen gegen Menschenrechtsverletzer betrifft, und die Unterminierung künftiger amerikanischer Bemühungen, das internationale Recht in bestimmten Fällen, wie bei der Führung der NATO in der Festnahme von Kriegsverbrechern auf dem Balkan oder bei der Kriegsverbrechensanklage gegen Saddam Hussein, voranzutreiben.
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