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Großbritannien: Inhaftierungspolitik verhindert wirksame Terrorismusbekämpfung

Ausländische Staatsbürger werden unbegrenzt und unter Missachtung der Menschenrechte festgehalten

(London, 24. Juni 2004) – Die britische Regierung hält ausländische Terrorismusverdächtige unbegrenzt fest. Dies untergräbt, so Human Rights Watch heute in einem Informationsschreiben, die Einhaltung der Menschenrechte in Großbritannien und verhindert zudem die Entwicklung eines funktionierenden Antiterrorismus-Plans.  

" Das unbegrenzte Festhalten von Verdächtigen hat weder System noch ist es eine taugliche Strategie. Grundlegende Menscherechte werden dadurch verletzt und sicherer ist Großbritannien dadurch allem Anschein nach auch nicht geworden. "
Rachel Denber, amtierende Direktorin der Europa und Zentralasien Abteilung von Human Rights Watch
  

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Zu diesem Thema

Neither Just Nor Effective
HRW Hintergrundpapier, 24. Juni 2004

'Empty Promises:' Diplomatic Assurances No Safeguard Against Torture
HRW Bericht, 15. April 2004

Bei den Betroffenen handelt es sich derzeit um etwa zwölf Männer, die aufgrund des „Anti-Terrorism Crime and Security Act“, der vom britischen Parlament nach den Anschlägen vom 11. September verabschiedet wurde, ohne Gerichtsverfahren in Hochsicherheitsgefängnissen festgehalten werden. Acht von diesen Männern befinden sich schon seit Dezember 2001 in Haft. Keiner von ihnen ist bisher irgendeines Verbrechens angeklagt worden. Auf Haftentlassung gibt es keine Aussicht.  
 
Der Bericht von Human Rights Watch zeigt, wie sehr die unbegrenzte Haft die Gefangenen psychisch und physisch auszehrt. Auch leiden die Beziehungen zwischen den ethnischen Gruppen des Landes unter solchen Maßnahmen; und die muslimische Bevölkerung sieht natürlich unter solchen Umständen kaum noch Gründe, mit Polizei und Sicherheitsdiensten zusammenzuarbeiten. Diese Art von Sicherheitspolitik wirkt sich natürlich auch negativ auf die Entwicklung einer funktionierenden Antiterrorismus-Strategie aus, die jeder Art von Bedrohung wirksam begegnen kann.  
 
„Das unbegrenzte Festhalten von Verdächtigen hat weder System noch ist es eine taugliche Strategie,“ kritisiert Rachel Denber, amtierende Direktorin der Europa und Zentralasien Abteilung von Human Rights Watch. „Grundlegende Menscherechte werden dadurch verletzt und sicherer ist Großbritannien dadurch allem Anschein nach auch nicht geworden.“  
 
Unbegrenzte Haft ohne Verfahren verstößt auf drastische Weise gegen internationale Menschenrechte. Großbritannien konnte diese Maßnahme überhaupt nur legitimieren, indem einfach der Notstand ausgerufen wurde. Im Notstand dürfen gewisse wichtige Menschenrechte vernachlässigt – oder ausgesetzt werden. Großbritannien ist das einzige europäische Land, das sich nach den Geschehnissen vom 11. September das Recht auf Vernachlässigung bestimmter Menschenrechte genommen hat. Die Maßnahmen erstrecken sich aber nicht auf Verdächtige mit britischer Staatsbürgerschaft, nur Ausländer sind davon betroffen.  
 
Im Dezember hatten einige hohe Mitglieder des britischen Parlaments gefordert, die Politik der unbegrenzten Haft unverzüglich aufzugeben. Sie sei diskriminierend und sie sei weder vom Menschenrechtsausschuss des britischen Parlaments noch von Experten der Vereinten Nation oder dem Europarat gutgeheißen worden. Im Oktober soll nun ein besonderes, aus neun Richtern bestehendes Gremium des Oberhauses, über die Rechtmäßigkeit der unbegrenzten Haft verhandeln.  
 
Die britische Regierung deutet inzwischen an, man überlege sich, die Häftlinge im Zusammenhang mit „Rahmenabkommen“ in Drittländer abzuschieben. In solchen Abkommen, besser bekannt als „diplomatische Versicherungen“, schiebt ein Land – wie Großbritannien – einen Gefangenen in ein Drittland ab, das zuvor versichern muss, man werde den Abgeschobenen nicht foltern oder misshandeln.  
 
„Auf Diplomatische Versicherungen ist leider überhaupt kein Verlass,“ warnte Denber. „Großbritannien ist verpflichtet, niemanden der Folter auszusetzen – und kann sich deshalb auch nicht hinter so einem Scheinabkommen verstecken.“