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Internationaler Strafgerichtshof: EU setzt „vage Bedingungen“
Nationale Parlamente müssen jetzt den Gerichtshof verteidigen
(Brüssel, 30. September 2002) – Die gemeinsame Position der Europäischen Union (EU) über Sonderabkommen mit den Vereinigten Staaten ist unzureichend, sagte Human Rights Watch heute.


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„Die EU-Außenminister wussten, dass die Glaubwürdigkeit des IStGH und die EU-Außen- und Sicherheitspolitik auf dem Spiel steht. Dennoch scheiterten sie, eine unmissverständliche Position gegen die Kampagne Washingtons, den Gerichtshof zu unterminieren, anzunehmen.“

Lotte Leicht
Direktorin der Europaabteilung von Human Rights Watch


 
Die EU-Position kam, nachdem Washington auf bilaterale Sonderabkommen drängte, die US-Staatsbürger von der Gerichtsbarkeit des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) befreien. Human Rights Watch glaubt, dass die heutige Entscheidung der Außenminister der 15 EU-Staaten (Allgemeiner Rat) nicht das letzte Wort sei und sagte, dass es nun die Aufgabe der nationalen Parlamente sei, den IStGH zu verteidigen.

„Die EU-Außenminister wussten, dass die Glaubwürdigkeit des IStGH und die EU-Außen- und Sicherheitspolitik auf dem Spiel steht,“ sagte Lotte Leicht, Direktorin der Europaabteilung von Human Rights Watch. „Dennoch scheiterten sie, eine unmissverständliche Position gegen die Kampagne Washingtons, den Gerichtshof zu unterminieren, anzunehmen.“

Bei dem Treffen der EU-Außenminister wurden am Montag eine Reihe vager Bedingungen angenommen, die von den EU-Mitgliedsstaaten, bei einem Abschluss bilateraler Abkommen mit der US-Regierung einzuhalten sind. Der Allgemeine Rat behauptet, dass diese Bedingungen die Integrität des Römischen Statuts des IStGH bewahren würden. Human Rights Watch sagte, dass diese „Prinzipien“ die Verpflichtungen aus dem Statut nicht wiederspiegeln würden.

„Die EU bat den „Rest“ der Welt abzuwarten, bis sie die Voraussetzungen konkretisiert hat,“ sagte Lotte Leicht. „Jedoch sind die Bedingungen so vage, dass sie einen Hohn gegenüber dem IStGH darstellen.“

Seit Mai 2002 stellte die Bush-Regierung Forderungen, die alle US-Staatsbürger von Untersuchungen und Verhandlungen durch den IStGH befreien. In neulich geführten Beratungsgesprächen mit der EU haben die Vereinigten Staaten eine vollständige Immunität für alle US-Staatsbürger gefordert. Einige Regierungen haben öffentlich bekannt gegeben, dass sie solche Abkommen nicht unterzeichnen werden. Das IStGH-Statut bestimmt, dass alle Vertragsstaaten Personen, die vom IStGH gesucht werden an ihn ausliefern und schließt ausdrücklich jegliche Vorbehalte aus.

„Wir erwarten jetzt, dass die nationalen Parlamente der EU-Länder die geforderten Abkommen genau überprüfen,“ sagte Leicht.

Die EU-Prinzipien enthalten keine eindeutige Bestimmung, die eine generelle Straffreiheit ausschließt. Eine Straffreiheit wäre nur dann ausgeschlossen, wenn eine rechtlich bindende Verpflichtung der Vereinigten Staaten bestünde, Personen, die nicht an den IStGH ausgeliefert werden, in den USA vor Gericht gestellt werden.

„Die Aufsichtsfunktion des IStGH über nationale Strafverfahren wird durch bilaterale Abkommen mit den Vereinigten Staaten unterminiert,“ sagte Leicht. „Sie würden die Auslieferung eines Verdächtigen des IStGH an nationale Gerichte auf der Basis eines Versprechens, sie zu bestrafen, erlauben, wobei die Kontrolle durch den IStGH ausgeschlossen wäre.“

Die US-Regierung ist entschieden gegen den IStGH. Im Mai kündigte sie sogar den Rückzug ihrer Unterschrift unter dem IStGH-Statut an. Im Juni und Juli kämpften US-Beamte für eine UN-Resolution des Sicherheitsrates, um alle Personen, die an UN-Friedenssicherungseinsetzen teilnehmen, von der Gerichtsbarkeit des Gerichtshofs auszunehmen.

„Schwache bilaterale Abkommen mit Washington könnten die Tür zur Straffreiheit derjenigen öffnen, die angeklagt sind, Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder Völkermord begangen zu haben,“ sagte Leicht. „Wir verlassen uns auf alle EU-Mitgliedsstaaten, dass sie ihre Verpflichtungen gegenüber dem Gerichtshof erfüllen und lehnen die Abkommen ab, die von der amerikanischen Seite gefordert werden.“