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Frauen in Kenia vom Eigentum beraubt
AIDS, Vertreibungen und Armut verbunden mit Eigentumsrechtsverletzungen
(Nairobi, 4. März 2003) - Aufgrund diskriminierender Gesetze und Bräuche verlieren Frauen in ganz Kenia ihre Häuser, Ländereien und sonstiges Eigentum, sagte Human Rights Watch heute in einem neu veröffentlichten Bericht. Durch den Missbrauch von Eigentumsrechten im sub-saharischen Afrika wird die Ungleichheit der Frauen perpetuiert, Entwicklungsbemühungen vernichtet und der Kampf gegen HIV/AIDS unterminiert.


Zu diesem Thema

Einige Stimmen kenianischer Frauen, Auszug aus dem Bericht, „Double Standards“

Double Standards: Women’s Property Rights Violations in Kenya

Letter to Alie Eleveld, Society of Women against AIDS in Kenya



Indem Eigentumsrechte von Frauen in Kenia und anderen sub-saharischen afrikanischen Ländern verletzt werden, sind Frauen Armut, Heimatlosigkeit, Gewalt und Krankheiten (u.a. HIV/AIDS) ausgesetzt.

LaShawn R. Jefferson, Direktorin der Frauenrechtsabteilung von Human Rights Watch


 
„Die Eigentumsrechtsverletzungen an Frauen sind nicht nur diskriminierend, sondern können sich auch als tödlich erweisen,“ sagte LaShawn R. Jefferson, die Direktorin der Frauenrechtsabteilung von Human Rights Watch. „Indem Eigentumsrechte von Frauen in Kenia und anderen sub-saharischen afrikanischen Ländern verletzt werden, sind Frauen Armut, Heimatlosigkeit, Gewalt und Krankheiten (u.a. HIV/AIDS) ausgesetzt.“

Der 51-seitige Bericht, Double Standards: Women’s Property Rights Violations in Kenya, untersucht die zerstörerische Wirkung von Eigentumsrechtsverletzungen an Frauen in Kenia. Hinzu kommt, dass Eigentumsangelegenheiten unzureichend durch die Verfassung geschützt werden.

Human Rights Watch fand heraus:

  • Frauen werden oft von der Eigentumserbschaft ausgeschlossen, von ihren Ländereien und Häusern durch Schwiegereltern vertrieben und ihres Hab und Guts beraubt.

  • Der Gefahr Aids ausgesetzt, werden einige Witwen zu Sex gezwungen, um ihr Eigentum behalten zu können. Hinzu kommen die „Frauenerbschaft“, wo Frauen von männlichen Schwägern geerbt werden und rituelle „Säuberungen“, wo Frauen gezwungen werden, Sex mit Männern eines niedrigen sozialen Standes zu haben.

  • Geschiedene oder getrennt lebende Frauen werden oft nur mit dem was sie am Körper tragen aus ihren Häusern vertrieben.

  • Verheiratete Frauen können selten ihre Männer davon abhalten, das Familieneigentum zu verkaufen.

  • Frauen, die sich zur Wehr setzten, werden oft geschlagen, vergewaltigt oder verbannt.

Durch den hohen HIV/AIDS-Anteil Kenias werden diese Gewalttaten und ihre Wirkung noch verstärkt. HIV-positive Frauen, die bereits Diskriminierungen ausgesetzt werden, sind stark durch Eigentumsrechtsverletzungen bedroht. Die geringe Landwirtschaftsproduktion, Nahrungsmittelknappheit, Unterbeschäftigung und ländliche Armut resultieren u.a.aus den unsicheren Eigentumsrechten von Frauen.

Mit einer neuen Regierung im Amt, der Arbeit an einer neuen Verfassung und einer Aufstockung der Spenden seien entscheidende Schritte unternommen worden, die Eigentumsrechte der Frauen zu verbessern, sagte Human Rights Watch.

„Seit Jahrzehnten ignorierte die kenianische Regierung die Krise der ungleichen Eigentumsrechte von Frauen,“ sagte Jefferson. „Kenia und Geberländer haben nun eine einmalige Gelegenheit, Eigentumsrechte für Frauen zu garantieren.“

Die kenianische Regierung sagte, sie wolle Debatten über eine neue Verfassung in der ersten Hälfte 2003 abhalten. Wenn der vorgeschlagene Verfassungsentwurf implementiert werden würde, würden Eigentumsrechte von Frauen drastisch verbessert. Darunter gehören die Garantie gleichheitlicher Erbrechte und Eigentumsrechte und die Verbote von Bräuchen und Traditionen, die die Würde oder den Status der Frau unterminieren.

Human Rights Watch rief die kenianische Regierung auf, rechtliche Reformen zu schaffen und Programme zu implementieren, um Eigentumsrechtsverletzungen zu vermeiden und Wiedergutmachung bereitzustellen und diejenigen, die die Eigentumsrechte der Frauen verletzen, zu bestrafen. Human Rights Watch sagte auch, dass die Weltbank und andere Geber Spenden nutzen sollten, um Eigentumsrechtsverletzungen an Frauen zu eliminieren.

Einige Stimmen kenianischer Frauen, Auszug aus dem Bericht, „Double Standards“:
(Um die Privatsphäre zu schützen, wurden Pseudonyme für die unten erwähnten Frauen verwandt.)

Emily Owino, eine 55-jährige Witwe aus dem Westen Kenias sagte, dass, kurz nachdem ihr Mann gestorben ist, ihre Schwiegereltern ihre Farmausrüstungen, Viehbestände, Haushaltsgüter und Kleidung mitnahmen. Die Schwiegereltern bestanden darauf, dass sie „gereinigt“ werde. Dies geschieht durch Sex mit einem sozial Ausgestoßenen - einer Tradition dieser Region -, als eine Bedingung, um Zuhause bleiben zu dürfen. Gegen ihren Willen und ohne ein Kondom zu benutzen, wurde ein Hirte von Owinos Schwiegereltern bezahlt, um mit ihr Sex zu haben. Ihre Schwiegereltern haben später ihr Land übernommen. Sie suchte vergeblich um Hilfe bei den Stammesälteren. Ihre Schwiegereltern zwangen sie ihr Haus zu verlassen. Sie und ihre Kinder wurden heimatlos. Nicht mehr in der Lage die Schulgebühren zu bezahlen, wurden ihre Kinder aus der Schule entlassen.

Nachdem der gewalttätige Ehemann von Mary Abudo - Mutter von acht Kindern - sich von ihr trennte, übernahm er all ihr Eigentum - darunter Fahrzeuge, Land und Möbel. Sie hatte nichts mehr. Abudo ging, um mit ihrer Mutter zu leben. Nachdem ihre Mutter gestorben ist, wurde sie von ihren Verwandten vertrieben, weil sie dachten, dass die Tochter nichts erben dürfe. „Ich bin obdachlos,“ sagte sie. „Meine Verwandten gingen auf mich los und schlugen auf mich ein. Ich hatte Angst, ich muss sterben.“

Nachdem Susan Wagitangus Eltern gestorben sind, erbte ihr Bruder das Land der Familie. „Meine Schwester und ich haben nichts geerbt,“ sagte Wagitangu, eine 53-jährige Kikuyu Frau. „Wenn eine Frau geheiratet hat, erbt sie traditionell nichts. Die Tradition sagt, dass eine Frau Land bekommt, wo sie geheiratet hat.“ In Wagitangus Fall war dem nicht so. Nachdem ihr Ehrmann gestorben ist, wurde sie von ihren Schwägern von ihrem Gehöft vertrieben und ihrer Kühe beraubt. Wagitangu lebt nun in den Slums von Nairobi. „Nairobi hat Vorteile,“ sagte sie. „Wenn ich nichts zu essen habe, kann ich in den Müllhalden wühlen.“