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Volkswagen: Maßnahmen gegen uigurische Zwangsarbeit ergreifen

Mögliche Arbeitsrechtsverletzungen in Lieferkette und Werk in Xinjiang

Ein Werk eines Tochterunternehmens von SAIC-Volkswagen am Rande von Urumqi, der Hauptstadt der Autonomen Region Xinjiang-Uigurien in China, am 22. April 2021. © 2021 AP Photo/Mark Schiefelbein

Aktualisierung, 28. Mai 2024: Nach der Veröffentlichung dieser Pressemitteilung hat Volkswagen auf frühere Nachfragen von Human Rights Watch geantwortet und erklärt, dass das kleine elektronische Bauteil, das von einem Unterlieferanten hergestellt wurde, der von den US-Behörden im Dezember 2023 als mit uigurischer Zwangsarbeit in Verbindung stehend aufgelistet wurde, „in allen weltweit zum Verkauf stehenden Fahrzeugen“ ausgetauscht wurde. Volkswagen antwortete auch auf die Frage, warum die früheren Untersuchungen von Volkswagen in den Jahren 2020 und 2022 keine Verbindung zu dem Zulieferer ergeben haben: „Wir haben im Rahmen unserer Prozesse untersucht, ob eine direkte Geschäftsbeziehung besteht. Dies war und ist immer noch nicht der Fall. Die Verbindung zu einem unserer Unterlieferanten wurde nicht identifiziert, da keine vollständige Transparenz der Lieferkette besteht.“

(Berlin) – Volkswagen sollte seine Aktionär*innen auf der Hauptversammlung am 29. Mai 2024 darüber informieren, welche Schritte das Unternehmen einzuleiten gedenkt, um die Zwangsarbeit von Uigur*innen in seinen Betrieben und Lieferketten zu beenden, so Human Rights Watch und das European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) heute.

Seit 2017 begeht die chinesische Regierung in der nordwestlichen Region Xinjiang Verbrechen gegen die Menschlichkeit und zwingt Uigur*innen und andere turkstämmige Gemeinschaften innerhalb und außerhalb der Region zur Arbeit. In Xinjiang werden Aluminium und andere wichtige, in der Automobilindustrie eingesetzte Materialien von Unternehmen hergestellt, die Menschen im Rahmen von staatlichen Zwangsarbeitsprogrammen beschäftigen.

„Volkswagens Strategie ‚In China, für China‘ sollte nicht beinhalten, eine Mitschuld an Zwangsarbeit zu tragen“, sagte Jim Wormington, leitender Researcher für Unternehmensverantwortung bei Human Rights Watch. „Die Volkswagen-Aktionäre sollten das Unternehmen auffordern, effektive Maßnahmen zur Bekämpfung uigurischer Zwangsarbeit in seinen Lieferketten zu ergreifen.“

Der Automobilhersteller Volkswagen, der über seine chinesische Joint Ventures in China Fahrzeuge herstellt, hat es versäumt, umfassend zu prüfen, ob in seinen Lieferketten in China Zwangsarbeit eingesetzt wird. 2023 gab das Unternehmen ein äußerst mangelhaftes Audit eines Werks in Xinjiang in Auftrag. Dieses Werk wird von einer Tochtergesellschaft der SAIC VOLKSWAGEN Automotive Co. Ltd. betrieben, Volkswagens Joint Venture mit dem chinesischen Staatskonzern SAIC. Das Ausmaß an Unterdrückung und Überwachung in Xinjiang macht es unmöglich, Vorwürfe der Zwangsarbeit in den Werken der Region im Rahmen von Audits glaubhaft zu untersuchen.

Volkswagen verkauft jedes dritte Fahrzeug in China. Der Vorstandsvorsitzende von Volkswagen, Oliver Blume, bezeichnete China am 24. April als „zweiten Heimatmarkt“ des Unternehmens. Blume kündigte außerdem an, die „In China, für China“-Strategie zu erneuern, etwa durch neue Partnerschaften mit chinesischen Automobilherstellern, eine Senkung der Produktionskosten und ehrgeizigere Verkaufsziele.

Volkswagen teilte im Dezember 2023 mit, dass ein von der Firma des ehemaligen deutschen Menschenrechtsbeauftragten Markus Löning durchgeführtes Audit „keine Hinweise“ auf Zwangsarbeit in dem Werk des Joint Ventures in Xinjiang ergeben habe. In diesem Werk werden Fahrzeuge getestet, die anderswo in China montiert werden. Löning räumte jedoch ein, dass bei dem Audit lediglich Dokumente geprüft worden seien, ohne die Belegschaft selbst zu befragen, was in seinen Worten „riskant“ sei. Er fügte noch hinzu, dass „sie [die Arbeiter] selbst, wenn sie etwas wüssten, das in einem Interview nicht sagen könnten“.

Nach Bekanntwerden der Auditergebnisse veröffentlichte das Handelsblatt am 14. Februar einen Bericht, wonach ein Auftragnehmer einer Tochtergesellschaft der SAIC VOLKSWAGEN Automotive Co. Ltd. beim Bau einer Teststrecke in Xinjiang uigurische Zwangsarbeiter*innen eingesetzt habe. Die Teststrecke wurde 2019 fertiggestellt. In seiner Antwort erklärte Volkswagen, dass die Teststrecke nicht Bestandteil des Audits in Xinjiang im Jahr 2023 gewesen sei, und ergänzte, dass das Unternehmen „bis heute keine Hinweise auf Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit dem Testgelände hat“.

Im Februar teilte Volkswagen außerdem mit, dass es „derzeit in Gesprächen mit dem nicht kontrollierten Joint Venture SAIC-Volkswagen hinsichtlich der zukünftigen Ausrichtung der Geschäftsaktivitäten in der Provinz Xinjiang ist. Derzeit werden verschiedene Szenarien intensiv geprüft“. Die Aktionär*innen sollten Volkswagen auffordern, die Ergebnisse dieser Gespräche offenzulegen und seine Aktivitäten in Xinjiang einzustellen.

Auch bei den Materialien, die Volkswagen aus der Region Xinjiang für die Automobilherstellung bezieht, besteht das Risiko von Zwangsarbeit, und zwar nicht nur in China, sondern weltweit. So werden beispielsweise fast 10 Prozent des weltweit produzierten Aluminiums in Xinjiang hergestellt, bevor es verschifft, eingeschmolzen und zu Produkten und Teilen verarbeitet wird, die von Automobilherstellern und anderen Branchen verwendet werden. Aluminiumproduzenten in Xinjiang und die Kohleminen und -kraftwerke, die sie beliefern, haben sich an Arbeitstransferprogrammen der chinesischen Regierung beteiligt, mittels derer Menschen zur Arbeit gezwungen werden.

Im Juni 2023 reichte das ECCHR eine Beschwerde beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) ein, das für die Einhaltung des deutschen Lieferkettengesetzes zuständig ist. Darin wirft das ECCHR Volkswagen, BMW und Mercedes-Benz vor, gegen ihre gesetzlichen Verpflichtungen zu verstoßen, indem sie keine geeigneten Maßnahmen zur Erkennung und Verhinderung staatlich organisierter Zwangsarbeit in ihren Lieferketten ergreifen. Das BAFA hat sich bisher noch nicht öffentlich dazu geäußert.

Im Januar informierte Volkswagen die US-amerikanischen Zollbehörden darüber, dass ein kleines elektronisches Bauteil von einem Unterlieferanten stamme, den US-Behörden im Dezember 2023 mit uigurischer Zwangsarbeit in Verbindung gebracht haben. Der US-amerikanische Zoll beschlagnahmte daraufhin alle Fahrzeuge, in die dieses Teil verbaut worden war, und Volkswagen tauschte es aus. Human Rights Watch fragte Volkswagen am 22. Mai, ob das Unternehmen das Bauteil auch aus Fahrzeugen entfernt habe, die außerhalb der USA verkauft werden, erhielt jedoch keine Antwort. Das U.S. Senate Committee on Finance stellte im Mai in einem Bericht fest, dass Volkswagen den Unterlieferanten in den Jahren 2020 und 2022 bereits geprüft und keine Verbindungen zu seiner Lieferkette gefunden hatte.

Volkswagen untersucht die Lieferketten seiner chinesischen Joint Ventures, wie etwa mit SAIC, die hauptsächlich Fahrzeuge für den Absatz in China herstellen, nur unzureichend, so die Organisationen. Volkswagen behauptet, dass es nach dem deutschen Lieferkettengesetz rechtlich nicht verpflichtet sei, die Achtung der Menschenrechte in der Lieferkette seines Joint Ventures mit SAIC zu berücksichtigen, da laut Joint-Venture-Vertrag die operative Kontrolle des Geschäfts SAIC obliege.

Volkswagen erklärte im November 2023 gegenüber Human Rights Watch, dass das Unternehmen „Verantwortung dafür übernimmt […] seinen Einfluss auf seine chinesischen Joint Ventures zu nutzen, um dem Risiko von Menschenrechtsverletzungen zu begegnen“. Doch auf die Frage nach möglichen Verbindungen zwischen der SAIC VOLKSWAGEN Automotive Co. Ltd. und einem Aluminiumhersteller in Xinjiang antwortete Volkswagen: „Die Lieferantenbeziehungen der nicht kontrollierten Unternehmensbeteiligung an SAIC-Volkswagen sind uns nicht bekannt.“

Volkswagen setzt mit seiner aktualisierten China-Strategie weiterhin auf Joint Ventures, unter anderem mit SAIC und dem chinesischen Elektroautohersteller XPENG. In seiner Beschwerde verlangt das ECCHR, die von den Joint Ventures hergestellten Fahrzeuge als Teil der Lieferkette von Volkswagen zu betrachten, so dass sie in den Geltungsbereich der Sorgfaltspflicht nach dem deutschen Lieferkettengesetz fallen. Human Rights Watch bat Volkswagen am 22. Mai um eine Stellungnahme, welche Schritte das Unternehmen einleiten wird, um für strenge Standards im Bereich Menschenrechte und verantwortungsvolle Beschaffung in allen aktuellen und zukünftigen Werken der Joint Ventures in China zu sorgen. Eine Antwort blieb bisher aus.

„Volkswagen kann sich nicht einfach der Verantwortung für seine chinesischen Joint Ventures entziehen, obgleich ihm die Risiken von Zwangsarbeit bekannt sind“, sagte Chloé Bailey, Senior Legal Advisor beim ECCHR. „Die Aktionäre sollten Volkswagen um eine Stellungnahme bitten, wie das Unternehmen auf die zunehmende Untersuchung seiner Aktivitäten in China reagiert und welche Schritte es unternimmt, um seinen Verpflichtungen nach dem deutschen Lieferkettengesetz nachzukommen.“

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