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Populismus im Gegenwind

Abdul Kareem, ein Rohingya Muslim, trägt seine Mutter, Alima Khatoon, zu einem Flüchtlingslager, nachdem er die burmesische Grenze nach Bangladesch überschritten hat. 16. September 2017.

© 2017 Christophe Morin/IP3/Getty Images

Der Siegeszug autoritärer Populisten ist heute offensichtlich weniger unaufhaltsam als noch vor einem Jahr. Damals erschien es so, als sei eine Reihe von Politikern in der ganzen Welt nicht zu stoppen. Sie behaupteten, für „das Volk“ zu sprechen, mobilisierten ihre Anhänger jedoch, indem sie unbeliebte Minderheiten dämonisierten, Menschenrechtsprinzipien angriffen und das Misstrauen gegenüber demokratischen Institutionen nährten. Heute ist die Zukunft ihrer populistischen Agenda weitaus ungewisser. Denn in vielen Ländern hat sich öffentlicher Widerstand formiert, teilweise mit Rückendeckung von Politikern, die den Mut besitzen, für die Menschenrechte einzutreten. Wo die Populisten starken Gegenwind bekamen, waren ihre Fortschritte begrenzt. Wo man vor ihrer Botschaft des Hasses und der Ausgrenzung kapitulierte, gediehen sie jedoch prächtig.

Im Zuge dieser Auseinandersetzung wandten sich vor allem westliche Staaten immer stärker ihren inneren Belangen zu, was eine zunehmende Fragmentierung der Welt zur Folge hatte. Zwei altgediente, wenn auch nicht immer tadellose Verteidiger der Menschenrechte nahmen diese Rolle auf der Weltbühne immer seltener wahr: Während die USA von einem Präsidenten geführt werden, der eine beunruhigende Vorliebe für „starke“ Herrscher zeigt, die sich über Menschenrechte hinwegsetzen, ist Großbritannien vor allem mit dem Brexit beschäftigt.

Geschwächt durch rassistische und flüchtlingsfeindliche Kräfte im eigenen Land waren Deutschland, Frankreich und ihre europäischen Partner nicht immer bereit, diese Lücke zu füllen. Demokratien wie Australien, Brasilien, Indonesien, Japan oder Südafrika traten nur äußerst selten als aktive Verteidiger der Menschenrechte in Erscheinung.

Aus diesem Vakuum versuchten, China und Russland Kapital zu schlagen. Ihre Präsidenten Xi Jinping und Wladimir Putin konzentrierten sich im Inneren darauf, mögliche Massenproteste wegen der wirtschaftlichen Abkühlung und der allgegenwärtigen Korruption schon im Keim zu ersticken, während sie in multinationalen Foren aggressiv für eine menschenrechtsfeindliche Agenda eintraten und Bündnisse mit repressiven Regierungen schmiedeten. Ihr Geschick bei der Vermeidung jeder öffentlichen Kontrolle zog die Bewunderung der Populisten im Westen und vieler Autokraten weltweit auf sich.

Durch das Zurückweichen vieler potentieller Verfechter der Menschenrechte wurde brutalen Gewaltherrschern und ihren Wegbereitern das Feld überlassen. In Ländern wie dem Jemen, Syrien, Burma und dem Südsudan konnten Massengräuel nahezu völlig straflos voranschreiten. Internationale Normen zur Verhütung der schrecklichsten Verbrechen wurden attackiert und noch junge Institutionen zur Strafverfolgung wie der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) in Frage gestellt.

In diesem feindseligen Klima begannen einige kleine und mittelgroße Länder, verstärkt Führungsrollen zu übernehmen. Sie schmiedeten breite Bündnisse und zeigten, dass sie ernstzunehmenden Druck aufbauen und zum Schutz der Menschenrechte einsetzen konnten. Dabei wurden sie mitunter von einer zunehmend engagierten Öffentlichkeit unterstützt. Auch wenn diese Staaten den Rückzug der anderen Mächte nicht vollständig kompensieren können, beweist ihr Auftreten, dass der Wille zur Verteidigung der Menschenrechte lebt und wohlauf ist.

 

Reaktionen auf den Populismus


Hinter dem Zuspruch, den der Populismus weltweit erfährt, stehen reale Probleme: Wirtschaftliche Verwerfungen und soziale Ungleichheit im Zuge der Globalisierung, Automatisierung und des technologischen Wandels; die Angst vor kulturellen Veränderungen durch die Migration vor Krieg, Repression, Armut und Klimawandel, die durch verbesserte Transport- und Kommunikationsmittel beschleunigt wird; die Spaltung der Gesellschaft in kosmopolitische Eliten, die Veränderungen begrüßen und von ihnen profitieren, und Menschen, die ihre Lebensumstände als immer prekärer empfinden; sowie der traumatisierende Trommelschlag der Terroranschläge, den die Demagogen nutzen, um Ausländerhass und Islamfeindlichkeit zu schüren.

Diese Probleme zu lösen ist schwierig. Die Populisten begegnen ihnen jedoch nicht mit echten Lösungsvorschlägen, sondern indem sie schutzbedürftige Minderheiten und benachteiligte Gesellschaftsteile zum Sündenbock machen. Die Folge ist ein Frontalangriff auf die Werte der Einbindung verschiedenster gesellschaftlicher Gruppen, der Toleranz und des Respekts, die das Herzstück der Menschenrechte bilden. Einige Populisten genießen es offensichtlich regelrecht, die mit diesen Werten einhergehenden Tabus zu brechen. Mit Verweis auf ihre eigennützige Interpretation des Mehrheitswillens versuchen sie, das demokratische Prinzip einer gewählten Regierung, deren Befugnisse durch Bürgerrechte und Rechtsstaatsprinzip eingeschränkt werden, durch eine uneingeschränkte Herrschaft der Mehrheit zu ersetzen.

Um der populistischen Herausforderung entgegenzutreten, sollten wir nicht nur auf legitime Beschwerden eingehen und zugrunde liegende Missstände beheben, sondern auch die Menschenrechtsprinzipien stärken, die den Populisten ein Dorn im Auge sind. Wir sollten für die Vorteile einer Regierung werben, die ihrer Bevölkerung gegenüber rechenschaftspflichtig ist und nicht dem Machtgewinn und der Bereicherung ihrer Vertreter dient. Wir sollten auch deutlich machen, dass die Recht von uns allen auf dem Spiel stehen, wenn wir die Regierung entscheiden lassen, welche Menschen die Achtung ihrer Rechte verdienen. Und schließlich sollten wir die breite Bevölkerung daran erinnern, dass die Menschenrechte für sie genauso unverzichtbar sind wie für Dissidenten und Randgruppen.

Die Bereitschaft demokratischer Entscheidungsträger, diese Herausforderung anzunehmen und für die Menschenrechte einzutreten, hat sich geändert. Vor einem Jahr, als die Populisten noch Rückenwind hatten, wagten nur wenige diese Konfrontation. Im vergangenen Jahr begann sich dies zu ändern, mit erkennbaren Folgen.

Schutz der Menschenrechte

 

Frankreich

Frankreich war das deutlichste Beispiel für diese Trendwende. In anderen europäischen Staaten, vor allem in Österreich und den Niederlanden, versuchten Politiker der politischen Mitte und des Mitte-Rechts-Lagers, mit den Populisten Schritt zu halten, indem sie viele ihrer nationalistischen Positionen übernahmen. Statt den Populisten jedoch wie erhofft den Wind aus den Segeln zu nehmen, verliehen sie ihren Botschaften damit Nachdruck.

Emmanuel Macron wählte für seine Präsidentschaftskampagne einen anderen Ansatz: Er bekannte sich offen zu demokratischen Prinzipien und wies die Bemühungen des Front National, Hass gegen Muslime und Einwanderer zu schüren, entschieden zurück. Sein Wahlerfolg und der Sieg seiner Partei bei den Parlamentswahlen zeigten, dass eine überwältigende Mehrheit der französischen Wähler die spalterische Politik des Front National ablehnt.

Es bleibt abzuwarten, wie Macron in der Praxis regieren wird. Seine Entscheidung, viele beunruhigende Bestimmungen der französischen Notstandsgesetze dauerhaft zu verankern, war ein verstörender erster Schritt. Außenpolitisch zeigte Macron Führungsqualitäten, indem er sich der autokratischen Politik Russlands, der Türkei und Venezuelas entgegenstellte und seine Bereitschaft signalisierte, ein stärkeres gemeinsames Handeln der Europäischen Union gegen die Angriffe Polens und Ungarns auf die Menschenrechte zu unterstützen. Allerdings sträubte er sich, die weitverbreiteten Menschenrechtsverletzungen in China, Ägypten und Saudi-Arabien offen anzusprechen. Ungeachtet dieser durchwachsenen Gesamtbilanz bewies Macrons Wahlkampf, dass ein energisches Eintreten für demokratische Prinzipien die Unterstützung einer breiten Öffentlichkeit gewinnen kann.

USA

Nach dem Wahlsieg Donald Trumps in den USA erneuerten Akteure aus verschiedenen Lagern ihr Bekenntnis zu den Menschenrechten. Trump gewann die Präsidentschaftswahlen mit einer Kampagne des Hasses gegen mexikanische Einwanderer, muslimische Flüchtlinge und andere ethnische Minderheiten sowie einer offenkundigen Geringschätzung für Frauen. Dagegen formierte sich eine kraftvolle Gegenbewegung aus Bürgerrechtsgruppen, Journalisten, Rechtsanwälten, Richtern, Teilen der Öffentlichkeit und sogar einigen Parteikollegen Trumps.

Dennoch gelang es Trump, mithilfe seiner Exekutivbefugnisse rückwärtsgewandte Maßnahmen durchzusetzen, etwa zahlreiche Abschiebungen ohne Rücksicht auf tief reichende Bindungen der Betroffenen in den USA, die Wiederaufnahme der unmenschlichen und verfehlten Politik der massenhaften Inhaftierung von Straftätern, die Abschwächung der Kontrollmechanismen gegen Polizeimissbrauch und die Kürzung der Mittel für reproduktivmedizinische Angebote für Frauen weltweit.

Der Widerstand gegen Trump trug dazu bei, die Schäden, die seine Politik anrichten konnte, einzudämmen. Dies gilt vor allem im Hinblick auf die Diskriminierung von Muslimen bei der Einreise und Asylsuche in den USA, die Schwächung des Rechts auf Gesundheitsversorgung, den Ausschluss von Trangendern aus den Streitkräften und die Abschiebung seit langem in den USA ansässiger Einwanderer.

Außenminister Rex Tillerson lehnte den Schutz der Menschenrechte als Element der US-Außenpolitik weitestgehend ab. Er reduzierte das internationale Engagement seines Landes, indem er beispiellose Einschnitte im Außenministerium vornehmen ließ. Er weigerte sich, leitende Posten neu zu besetzen, entließ altgediente Diplomaten, kürzte den Haushalt und überließ das Ministerium sich selbst. Viele diensterfahrene Diplomaten und Referenten reichten verzweifelt ihre Kündigung ein.

Als Trump begann, einen Autokraten nach dem anderen mit offenen Armen zu empfangen, wurden einige der verbliebenen Beamten im Außenministerium aktiv. Sie unternahmen ihr Möglichstes, um eine vollständige Abkehr von den Menschenrechtsprinzipien, die seit vier Jahrzehnten zumindest teilweise als Leitlinien für die Außenpolitik der USA gedient hatten, zu verhindern. Teilweise erhielten sie dabei auch Unterstützung aus dem Kongress. Ihrem Engagement ist es zu verdanken, dass Washington wenigstens gelegentlich noch eine konstruktive Rolle spielte, etwa durch die Androhung gezielter Sanktionen gegen die Drahtzieher der ethnischen Säuberungen gegen die Rohingya im burmesischen Militär.

           

Deutschland

Deutschland machte im vergangenen Jahr Schlagzeilen, als die Alternative für Deutschland (AfD) als erste rechtsextreme Partei seit Jahrzehnten in den Bundestag einzog. Ihr Aufstieg schwächte die Regierungskoalition, einschließlich Angela Merkels CDU, und erschwerte die Regierungsbildung. Merkel konzentrierte sich auf die Innenpolitik und verteidigte ihre mutige Entscheidung, im Jahr 2015 ein große Zahlen von Asylsuchenden aufzunehmen. Damit sorgte sie ironischerweise jedoch dafür, dass in Europa eine starke Stimme für die Rechte von Flüchtlingen und Migranten fehlte – dem aktuell umstrittensten Thema auf dem Kontinent. Macron musste deshalb auf den naheliegendsten europäischen Partner im Kampf gegen den autoritären Populismus verzichten.

Aus der Bundestagswahl lässt sich auch eine Lehre im Hinblick auf den Umgang mit der extremen Rechten ziehen. Außerhalb der wirtschaftlich schwachen östlichen Landesteile, wo weitverbreiteter Rassismus und Fremdenhass seit dem Fall der Berliner Mauer ein ungelöstes Problem darstellen, verzeichnete die AfD ihre größten Zugewinne im reichen Bayern, wo Merkels Koalitionspartner CSU weitaus mehr der natiionalistischen AfD-Positionen übernommen hatte als die CDU. Dies belegt, dass eine prinzipientreue Konfrontation wirksamer ist als eine kalkulierte Nachahmung.

Polen und Ungarn

Ostmitteleuropa hat sich zu einem besonders fruchtbaren Boden für den Populismus entwickelt. Bestimmte Politiker nutzten hier die Angst vor der in anderen Teilen Europas stattfindenden Migration, um Beschränkungen ihrer Machtbefugnisse im Inland zu schwächen. Doch auch hier stießen die Populisten auf Gegenwehr.

In Polen legte Präsident Andrzej Duda nach massiven öffentlichen Protesten und internationaler Kritik auch von Seiten der EU-Institutionen sein Veto gegen den Plan der Regierung ein, die Unabhängigkeit der Justiz und die Rechtsstaatlichkeit zu schwächen. Allerdings war auch der Alternativvorschlag, den Duda schließlich billigte, noch unzureichend.

Nach internationaler Kritik, unter anderem aus den USA, und der Androhung rechtlicher Schritte durch die EU musste die Regierung Ungarns ihren Plan, die Central European University zu schließen, vorerst stoppen. Die Universität ist eine Bastion des unabhängigen Denkens, die in Opposition zu der von Premierminister Viktor Orban propagierten „illiberalen Demokratie“ steht. Zumindest im Hinblick auf Polen reift bei den EU-Institutionen und in einigen Mitgliedstaaten die Erkenntnis, dass die dortigen Angriffe auf die Demokratie auch die EU selbst bedrohen. Da Polen und Ungarn zu den bedeutendsten Empfängern von EU-Geldern zählen, wird debattiert, diese Hilfen an die Achtung der EU-Grundwerte zu knüpfen.

Venezuela

In Lateinamerika setzte Präsident Nicolás Maduro die Zerstörung der venezolanischen Demokratie und Wirtschaft fort, unter dem Vorwand, er kämpfe für „den kleinen Mann“ und gegen all jene, die er als Imperialisten bezeichnete. Je brutaler und autoritärer seine Herrschaft wurde, desto deutlicher und schmerzhafter zeigte sich, wie korrupt und inkompetent Maduros Wirtschaftspolitik war. Das potentiell wohlhabende Land ist trotz großer Ölreserven bettelarm. Viele Menschen suchen verzweifelt nach Lebensmitteln und Medikamenten, während die Inflation ins Unermessliche steigt.

Dies trieb die Menschen in großer Zahl auf die Straße. Einige Mitglieder von Maduros Regierung setzten sich ab. Ungewöhnlich viele lateinamerikanische Staaten legten ihre übliche Zurückhaltung ab, wenn es darum geht, die Repression in einem Nachbarlandes zu kritisieren. Andere schlossen sich an, auch die EU.

Maduro schaffte es, weiter im Amt zu bleiben, vor allem dank der gewaltsamen Unterdrückung, zu der er sich bereit zeigte. Mithilfe des unterwürfigen Obersten Gerichtshofs und der Konstituierenden Versammlung, die er zur Übernahme der Legislativgewalt von der oppositionell kontrollierten Nationalversammlung geschaffen hatte, ging Maduro mit brutaler Härte gegen abweichende Meinungen vor. Während die venezolanische Bevölkerung immer tiefer in Armut und Elend versinkt, ist nicht abzusehen, wie lange sie es noch dulden wird, dass sich Maduro an die Macht klammert.

Ein Kampf, der Unterstützung verdient

In keinem dieser Beispiele des Widerstands gegen populistische Führer ist der Erfolg garantiert. Sind die Populisten erst einmal im Amt, haben sie den erheblichen Vorteil, sich die Befugnisse des Staates zunutze machen zu können. Der anhaltende Widerstand zeigt jedoch, dass der Kampf noch nicht verloren ist und dass viele Menschen nicht bereit sind stillzusitzen, während Autokraten ihre Freiheiten und Grundrechte attackieren.

Populisten und Autokraten füllen ein Vakuum

Im Gegensatz dazu konnten Populisten und andere menschenrechtsfeindliche Kräfte überall dort wachsen, wo der Widerstand im Innern unterdrückt wurde und es an internationalem Interesse fehlte. So konnte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan das demokratische System seines Lands ungestraft demontieren, während die EU sich darauf konzentrierte, Erdoğans Unterstützung bei der Unterbindung der Migration nach Europa zu gewinnen. In Ägypten ging Präsident Abdel Fatah al-Sisi hart gegen öffentliche Kritik vor, ohne nennenswerte Einmischung der USA oder der EU. Diese schenkten offenbar Sisis Darstellung Glauben, dass er den Terror bekämpfe und für Stabilität sorge. Seine skrupellose Unterdrückung jeder islamischen Option in der politischen Landschaft des Landes war jedoch ein Geschenk an die militanten Islamisten.

Saudi-Arabiens neuer Kronprinz Mohammed bin Salman führte, offenbar mit dem Segen seiner westlichen Verbündeten, eine Koalition arabischer Staaten in einen Krieg gegen die Huthi-Rebellen und deren Alliierte im Jemen. Dieser umfasste Luftangriffe und Blockaden gegen Zivilisten und verschärfte die weltweit größte humanitäre Krise noch weiter.

Um die Bootsmigration über Libyen zu stoppen, finanzierte und schulte die EU, insbesondere Italien, die libysche Küstenwache, damit diese tat, was kein europäisches Schiff legal tun könnte: Verzweifelte Migranten und Flüchtlinge gewaltsam in ein höllisches Umfeld zurückbringen, in dem Zwangsarbeit, Vergewaltigung und brutaler Missbrauch herrschen.

Putins Unterdrückung jeglicher Opposition, die sich gegen seine fortdauernde Herrschaft aussprach, traf bei ausländischen Regierungen nur auf geringen Widerstand. Sie richteten ihr Interesse stärker auf Putins Verhalten in der Ukraine und in Syrien als innerhalb Russlands. In China leitete Xi Jinping das härteste Durchgreifen gegen Kritiker seit der Niederschlagung der Demokratiebewegung auf dem Tiananmen-Platz 1989 ein und erhielt dennoch kaum Gegenwind. Andere Staaten befürchteten offenbar, durch ein Eintreten für die Rechte der chinesischen Bevölkerung lukrative Verträge aufs Spiel zu setzen.

Autoritäre Regierungen, die für ihr Vorgehen im eigenen Land auf wenig internationalen Widerstand stießen, fühlten sie sich dadurch häufig ermutigt, internationale Institutionen zum Schutz der Menschenrechte zu manipulieren und zu behindern.

Chinas Regierung ließ Bürger inhaftieren, die hofften, mit den UN-Organen in einen Dialog über ihre Menschenrechtsverletzungen zu treten. Russland legte elf Mal sein Veto ein, um jeden Versuch des UN-Sicherheitsrats zu blockieren, die Kriegsverbrechen der syrischen Regierung zu thematisieren. Moskau drohte auch mit dem Rückzug aus einem wichtigen europäischen Kontrollorgan für Menschenrechte, falls die Sanktionen wegen der Besetzung der Krim nicht aufgehoben würden. Aserbaidschan bestach Mitglieder desselben Gremiums, und die Türkei drohte, seine Beitragszahlungen zu stoppen. Burundi drohte UN-Menschenrechtsbeobachtern persönlich mit Vergeltung.

Burma und die Rohingya

Wie hoch der Preis sein kann, wenn man populistische Angriffe auf die Menschenrechte gewähren lässt, zeigte sich besonders schonungslos in Burma. Dort propagierten buddhistische Extremisten, führende Militärs und einige Mitglieder der Zivilregierung mit zunehmender Vehemenz eine aggressive, nationalistische Rhetorik, die schließlich zu einer Kampagne ethnischer Säuberungen gegen Rohingya-Muslime führte. Diese begann, nachdem eine militante Gruppe Außenposten der Sicherheitskräfte angegriffen hatte. Die von der Armee geführte Operation führte zu Massakern, weitverbreiteter Vergewaltigung und massenhafter Brandstiftung in mindestens 340 Dörfern. Um ihr Leben zu retten, flohen mehr als 640.000 Rohingya ins benachbarte Bangladesch. Genau diese Art von Verbrechen wollte die internationale Gemeinschaft eigentlich nie wieder dulden.

Die westlichen Staaten, die seit langem ein aktives Interesse an Burma verfolgen, wollten jedoch nicht eingreifen, nicht einmal durch gezielte finanzielle Sanktionen und Reisesperren gegen die Armeegeneräle, die hinter den Verbrechen gegen die Menschlichkeit standen. Diese Zurückhaltung begründet sich zumindest teilweise durch den geopolitischen Wettstreit mit China um die Gunst der burmesischen Regierung.

Ebenfalls eine Rolle spielte die übertriebene Ehrerbietung für Aung San Suu Kyi, die faktisch als Burmas ziviles Oberhaupt auftritt, obwohl sie über keine reale Kontrolle über das Militär verfügt. Suu Syi war nicht bereit, den politischen Preis für die Verteidigung einer unbeliebten Minderheit zu zahlen. Infolgedessen kam es zu einer Massenflucht, wie es sie seit dem Völkermord in Ruanda nicht mehr gegeben hat. Es besteht wenig Hoffnung auf eine freiwillige und sichere Rückkehr der Rohingya in näherer Zukunft oder darauf, dass die Drahtzieher der Gräueltaten, welche die Rohingya zur Flucht gezwungen hatten, vor Gericht gestellt werden.

Mitgliedstaaten der Organisation für Islamische Zusammenarbeit (OIC) beriefen eine Sondersitzung des UN-Menschenrechtsrats ein und unterstützten eine Resolution, welche Burmas Verbrechen gegen die Menschlichkeit verurteilt. Dies war bemerkenswert, da OIC-Mitglieder nur äußerst selten Resolutionen unterstützten, die ein einzelnes Land kritisieren.

 

Wenn Widerstand wirkt

Afrika und der Internationale Strafgerichtshof

Eine sehr ermutigende Reaktion auf die menschenrechtsfeindlichen Bestrebungen von Autokraten gab es in Afrika. Dort war das vergangene Jahr schon allein wegen des Sturzes zweier langjähriger Tyrannen bemerkenswert. Gambias Präsident Yahya Jammeh verlor in einer freien und fairen Wahl gegen Adama Barrow. Als er sich weigerte, die Wahlergebnisse zu akzeptieren, wurde er durch das drohende Eingreifen westafrikanischer Truppen aus dem Amt gedrängt.

Zimbabwes Präsident Robert Mugabe wurde durch einen Putsch abgesetzt. Allerdings ersetzte ihn sein ehemaliger Stellvertreter Emmerson Mnangagwa, ein Militärführer, der auch für zahllose Menschenrechtsverletzungen verantwortlich ist. In beiden Ländern hatte es Massenproteste gegen die altgedienten Tyrannen gegeben.                

Am beeindruckendsten war die afrikanische Verteidigung der Menschenrechte bei der Reaktion auf die populistischen Angriffe gegen die internationale Justiz. Noch bis vor einem Jahr hatten viele afrikanische Staatsoberhäupter, darunter viele, die selbst Blut an den Händen trugen und eine Strafverfolgung fürchteten, einen massenhaften Rückzug ihrer Staaten vom Internationalen Strafgerichtshof geplant. Sie wetterten mit populistischer Rhetorik gegen den vermeintlichen Neokolonialismus und versuchten, den IStGH als afrikafeindlich darzustellen. Tatsächlich hatte das Tribunal Verbrechen gegen Afrikaner ernst genommen und sich auf die verantwortlichen afrikanischen Entscheidungsträger konzentriert. (Der Aktionsradius des Tribunals war zudem durch die Weigerung einiger Regierungen beschränkt worden, das IStGH-Statut zu ratifizieren, sowie dadurch, dass der UN-Sicherheitsrat gezögert hat, auch in anderen Situationen Ermittlungen durch den IStGH einzuleiten.)

Aus dem geplanten massenhaften Exodus wurde ein Fiasko. Einzig Burundi verließ das Tribunal, in einem letztendlich erfolglosen Versuch, die Ermittlungen des IStGH wegen mutmaßlicher Verbrechen gegen die Menschlichkeit unter Pierre Nkurunziza zu stoppen, der seine Amtszeit als Präsident gewaltsam verlängert hatte. Gambia stoppte seinen angekündigten Rückzug nach dem Amtsantritt von Präsident Barrow. In Südafrika blockierte die Justiz zumindest zeitweise den Versuch von Präsident Jacob Zuma, den IStGH zu verlassen. Zuma hatte sich über die gerichtliche Anordnung hinweggesetzt, den vom IStGH per Haftbefehl gesuchten sudanesischen Präsidenten Omar al-Baschir während eines Südafrikabesuchs an der Ausreise zu hindern und damit seine Verhaftung zu ermöglichen.

Eine Welle der Unterstützung für den IStGH durch Bürgerrechtsgruppen in ganz Afrika trug dazu bei, die meisten afrikanischen Regierungen zu einem Verbleib im IStGH zu bewegen. Die Chefanklägerin des Gerichtshofs versuchte, die Rechtsprechung des Tribunals auszuweiten, indem sie die Richter um Erlaubnis ersuchte, Straftaten aller Konfliktparteien in Afghanistan zu untersuchen, einschließlich der weiter straflosen Folter durch US-Soldaten und Agenten der US-Geheimdienste.

Die große Rolle der kleinen Staaten

Im zurückliegenden Jahr haben viele kleine und mittelgroße Staaten eine beeindruckende Bereitschaft erkennen lassen, eine Führungsrolle zu übernehmen, wenn die großen Mächte zu Massengräueln schwiegen oder die Gegenmaßnahmen behinderten.

Die kleineren Staaten nahmen jedoch nicht zum ersten Mal eine Vorreiterrolle in Menschenrechtsfragen ein. So waren die Einrichtung des IStGH, das Verbot von Landminen, die Konvention gegen Streubomben, das Fakultativprotokoll zu Kindersoldaten und die Internationale Konvention gegen Verschwindenlassen allesamt Errungenschaften globaler Bündnisse aus kleinen und mittelgroßen Staaten, die ohne Beteiligung bzw. gegen die Interessen der großen Mächte handelten. Die Bereitschaft dieser alternativen Stimmen, auf der Weltbühne im Mittelpunkt zustehen, war im vergangenen Jahr besonders wichtig, da die großen Mächte internationale Foren meist mieden oder sogar zu kippen versuchten.

                 

Jemen

Als aufschlussreich erwiesen sich die Bemühungen im UN-Menschenrechtsrat, eine unabhängige Untersuchung der Menschenrechtsverletzungen im Jemen einzuleiten. Dort ging eine Koalition arabischer Staaten unter der Führung Saudi-Arabiens mit brutaler Härte gegen die jemenitische Zivilbevölkerung vor, bombardierte Wohnhäuser, Märkte und Krankenhäuser aus der Luft und blockierte dringend benötigte humanitäre Hilfslieferungen und andere Güter. Infolgedessen waren 7 Millionen Menschen vom Hungertod bedroht und es gab landesweit fast eine Million Verdachtsfälle auf Cholera.

Die gegnerischen Huthi-Streitkräfte und ihre Verbündeten setzten Landminen ein, rekrutierten Kindersoldaten und blockierten humanitäre Hilfe. Trotz des Ernstes der Lage unterstützten die USA, Großbritannien und Frankreich – alle wichtige Waffenlieferanten Saudi-Arabiens – den Vorschlag einer internationalen Untersuchung allenfalls halbherzig. Keiner wollte öffentlich Position beziehen. In dieses Vakuum stießen die Niederlande und übernahmen die Führung, später auch mit Unterstützung aus Kanada, Belgien, Irland und Luxemburg.

Ihre Aufgabe war nicht einfach, denn Saudi-Arabien drohte jedem Land, das eine Untersuchungsmission unterstützte, mit dem Abbruch der diplomatischen und wirtschaftlichen Beziehungen. Diese Drohung und die damit indirekt verbundene Botschaft, wohlhabende Staaten könnten sich der Untersuchung ihrer Gräueltaten entziehen, hatte offenbar den gegenteiligen Effekt. Als schließlich klar wurde, dass Saudi-Arabien bei einer Abstimmung höchstwahrscheinlich verlieren würde, war das Land gezwungen, sich auf eine UN-Untersuchungsmission einzulassen. Nun bleibt zu hoffen, dass sich das Verhalten der Kämpfer im Jemen durch eine Beobachtermission verbessern wird.

Syrien

Im Falle Syriens war der einzig gangbare Weg vor den Internationalen Strafgerichtshof versperrt, weil Russland im UN-Sicherheitsrat wiederholt sein Veto einlegte oder damit drohte, teilweise gemeinsam mit China. Obwohl die internationalen Anstrengungen forciert wurden, den Einsatz des Vetos in Situationen massenhafter Gräueltaten zu verhindern, blieben Russland, China und die USA diesen Initiativen fern.

Um das Patt zu brechen, wurde ins Gespräch gebracht, den Vetomechanismus im Sicherheitsrat über die UN-Vollversammlung zu umgehen, wo kein Staat über ein Vetorecht verfügt. Eine Vorreiterrolle bei diesen Vorstoß nahm das winzige Liechtenstein ein, das eine breite Koalition von Regierungen aufbaute. Dank ihrer Unterstützung stimmte die Vollversammlung schließlich mit 105 zu 15 Stimmen für die Einrichtung eines Verfahrens, durch das Beweise gesichert und Fallakten erstellt werden können, um sie für die Anklage zu verwenden, sobald ein Gerichtsort zur Verfügung steht. Dies war ein wichtiges Bekenntnis zur internationalen Strafjustiz. Es öffnet der Generalversammlung zudem eine Tür für die Einrichtung eines Sondertribunals für Syrien, falls Russland die Rechtsprechung des IStGH weiterhin blockieren sollte.

Wie wichtig Strafverfolgung ist, wurde auch immer wieder dann deutlich, wenn verbotene Nervengifte wie Sarin durch die syrische Regierung eingesetzt wurden. Angeblich hatte das Regime ja nach dem berüchtigten Sarin-Einsatz in Ost-Ghouta im August 2013 alle chemischen Waffen abgegeben. Für einen Vorfall in der nordwestsyrischen Stadt Khan Sheikhoun im April 2017 lieferte Russland ein passendes Alibi, demzufolge eine konventionelle Bombe des syrischen Militärs ein Sarin-Lager der Rebellen getroffen hatte. Als diese Theorie jedoch schlüssig widerlegt wurde, antwortete Russland mit einem Veto gegen die Fortsetzung der UN-Untersuchung. Wenn ein ständiges Mitglied des Sicherheitsrats bereit ist, seine Macht zur Vertuschung der Gräueltaten eines Verbündeten einzusetzen und wie in diesem Fall gleichzeitig militärische Unterstützung leistet, müssen andere Wege gefunden werden, um grundlegende Menschenrechte zu verteidigen.

Philippinen

Die Philippinen boten ein besonders schamloses und tödliches Beispiel für einen populistischen Angriff auf die Menschenrechte. Wie schon zu seiner Zeit als Bürgermeister der Stadt Davao ermutigte Präsident Rodrigo Duterte nach seinem Amtsantritt die Polizei dazu, mutmaßliche Drogenkonsumenten zu töten. Es kam zu einem völlig unkontrollierten Schusswaffengebrauch durch die Polizei, durch die in knapp einen Jahr seit Dutertes Amtsantritt mehr als 12.000 Menschen getötet wurden. Die Vorfälle wurden häufig als „Schießereien“ dargestellt, entpuppten sich jedoch immer wieder als Massenhinrichtungen. Die meisten Opfer waren junge Männer aus den Armenvierteln der Großstädte – Menschen, für die viele Menschen in dem Land wenig Sympathie hegten.

Der andauernde Territorialstreit zwischen China, den USA und den Philippinen im Südchinesischen Meer ließ die zahllosen Hinrichtungen jedoch zur Nebensache werden. Donald Trump schien, wie auch in anderen Fällen, vor allem von Dutertes Qualitäten als „starker Führer“ beeindruckt zu sein.

Wichtigen Druck, um das Morden zu beenden, übte eine Staatengruppe um Island aus, die das Thema im UN-Menschenrechtsrat ansprach. Duterte versuchte, sie als „Tränende Herzen“ zu verunglimpfen, geriet schließlich jedoch unter Druck und übertrug die Bekämpfung des Drogenhandels zumindest vorübergehend von der mörderischen Polizei auf eine weitaus gesetzestreuere Drogenbehörde. Nachdem die Polizei von den Drogenrazzien abgezogen wurde, ging die Zahl der Hinrichtungen schlagartig zurück.

Frauenrechte

Viele Populisten unserer Tage tragen frauenfeindliche Züge. In Russland wurden im vergangenen Jahr bestimmte Akte häuslicher Gewalt entkriminalisiert. In Polen, wo bereits eines der restriktivsten Abtreibungsgesetze in Europa gilt, wurde der Zugang zu Notfallverhütungsmitteln eingeschränkt.

Die US-Regierung unter Präsident Trump beschloss, die sogenannte Global Gag Rule wieder einzuführen und auszuweiten. Dadurch werden Finanzhilfen für lebenswichtige Gesundheitsangebote an Mädchen und Frauen im Ausland gestrichen

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Doch auch die Gegenstimmen wurden immer lauter: Der Women’s March, ursprünglich als Antwort auf Trumps Wahlerfolg geplant, entwickelte sich zu einem globalen Phänomen und brachte Millionen Menschen weltweit für die Frauenrechte auf die Straße.

Kanadas Premierminister Justin Trudeau und Frankreichs Präsident Macron erklärten sich öffentlich zu Feministen. Gleichzeitig stellte Kanada das Ziel der Geschlechtergleichheit in den Mittelpunkt seiner Entwicklungshilfe, und Frankreich kündigte neue Maßnahmen gegen geschlechtsspezifische Gewalt und sexuelle Belästigung an. Die Regierungen der Niederlande, Belgiens und der skandinavischen Staaten trieben Bemühungen voran, einen internationalen Fonds für reproduktive Rechte einzurichten, um die infolge der Global Gag Rule eingebüßten Mittel zu ersetzen. Schweden verschrieb sich einer „feministischen“ Außenpolitik, in der die Rechte von Frauen und Mädchen in Ländern wie Saudi-Arabien Priorität erhalten.

Vor allem durch die Öffentlichkeitsarbeit von Frauenrechtlerinnen hoben drei Staaten des Nahen Ostens und Nordafrikas – Tunesien, Jordanien und der Libanon – Bestimmungen in ihrem Strafgesetz auf, die es Vergewaltigern ermöglicht hatten, durch die Heirat ihres Opfers einer Bestrafung zu entgehen.

LGBT-Rechte

Sexuelle und Gender-Minderheiten gerieten häufig ins Visier von Regierungen, die versuchten, konservative Unterstützer zu gewinnen oder von Versäumnissen in der Regierungsarbeit abzulenken. Ob Putin  in Russland, Sisi in Ägypten oder Mugabe in Zimbabwe: Viele Spitzenpolitiker schürten moralische Vorbehalte und Panik gegenüber Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgender (LGBT), um sie zu ihrem politischen Vorteil zu nutzen. In Indonesien, Tansania und Aserbaidschan ging die Polizei öffentlich gegen Angehörige dieser Gruppen vor und durchsuchte willkürlich Privaträume.

Die forcierte Verfolgung von Lesben, Schwulen, Transexuellen und Transgender ist, gleich in welcher Gestalt sie auftritt, stets ein guter Indikator dafür, dass die Regierung den Erwartungen ihrer Bevölkerung nicht gerecht wird. Die Annahme, dass dieses Vorgehen unweigerlich auf Zustimmung trifft, erweist sich allerdings immer häufiger als Trugschluss.

Die meisten Staaten Lateinamerikas haben sich in den internationalen Foren dem Lager der Befürworter der LGBT-Rechte angeschlossen. Damit folgten sie Japan und vielen nordamerikanischen und europäischen Staaten. In Mosambik, Belize, Nauru und den Seychellen wurden gleichgeschlechtliche Akte in den letzten Jahren entkriminalisiert.

Diese Gegenbewegung manifestierte sich sogar in Russland. Die Inhaftierung, Folter, Verschleppung und Ermordung schwuler Männer durch die Sicherheitskräfte des tschetschenischen Präsidenten Ramsan Kadyrow stieß auf derart breite Empörung, dass Putin gezwungen war, seinen brutalen Verbündeten in die Schranken zu weisen und die Säuberungsaktion in der südrussischen Republik zu beenden.

Andernorts scheiterte der Schutz der LGBT-Rechte noch immer an konkurrierenden Interessen, etwa bei der Reaktion auf die Razzien gegen sexuelle Minderheiten in Ägypten. Dort mieden die Geberländer das Thema, offenbar aus Angst, ihren Verbündeten im Antiterrorkampf zu verärgern.

Zeit zu handeln statt zu verzweifeln

Die zentrale Lehre aus dem zurückliegenden Jahr ist, dass der Schutz der Menschenrechte trotz großer Herausforderungen die Oberhand behalten kann, wenn angemessene Anstrengungen unternommen werden. Die Populisten bieten oberflächliche Antworten auf komplexe Probleme, indem sie unbeliebte Minderheiten zum Sündenbock machen und versuchen, Kontrollmechanismen gegen Machtmissbrauch zu schwächen. Weite Teile der Öffentlichkeit erkennen jedoch die Abwegigkeit dieser vermeintlichen Lösungen, wenn man sie an die Menschenrechtsprinzipien erinnert, die dabei auf dem Spiel stehen.

Da die westlichen Mächte sich durch die Auseinandersetzung mit dem Populismus zunehmend nach innen orientiert haben und die Welt immer fragmentierter geworden ist, können Massengräuel heute oft ungestraft geschehen. Doch auch kleine und mittlere Staaten können etwas bewirken, wenn sie ihre Kräfte bündeln und strategisch vorgehen.

Versucht man, die weltweiten Perspektiven für die Menschenrechte ausgewogen zu beurteilen, gibt es zwar Grund zur Besorgnis, jedoch nicht zur Kapitulation. Statt der Resignation zu verfallen, sollten wir zum Handeln aufrufen. Vor dem 70. Jahrestag der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte besteht die Herausforderung heute darin, die beachtlichen Möglichkeiten zu nutzen, um jene Kräfte zurückzudrängen, die hart erkämpfte Fortschritte rückgängig machen wollen.

Menschenrechtsnormen geben eine Richtung vor, doch sie brauchen Verfechter in Regierung und Bevölkerung, um zu wirken. Dabei sollte jeder einzelne von uns eine Rolle spielen. Das zurückliegende Jahr hat gezeigt, dass man die Menschenrechte erfolgreich vor populistischen Angriffen verteidigen kann. Nun gilt es, ihren Schutz zu stärken und den Aufstieg der Populisten wieder rückgängig zu machen.