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WeChat-Post des staatlichen Fernsehsenders in Linxia zeigt, wie eine Moschee geschlossen und in eine Werkstatt zur Armutsbekämpfung für Stoffschuhe im Dorf Huangniwan im August 2018 umgewandelt wurde, Autonome Präfektur Linxia Hui, Provinz Gansu, China, 14. Mai 2020. © 2020 China Linxia News Network

(New York) - Die chinesische Regierung reduziert die Zahl der Moscheen in den Provinzen Ningxia und Gansu im Rahmen ihrer „Moscheekonsolidierungs“-Politik erheblich und verletzt damit das Recht auf Religionsfreiheit, so Human Rights Watch heute.

Um die Ausübung des Islam einzuschränken, haben die chinesischen Behörden Moscheen geschlossen, abgerissen und für säkulare Zwecke umgebaut. Bei vielen Moscheen wurden architektonische Merkmale wie Kuppeln und Minarette entfernt.

„Die chinesische Regierung ‚konsolidiert‘ Moscheen nicht, wie sie behauptet. Stattdessen schließt sie viele und verletzt so die Religionsfreiheit“, sagte Maya Wang, stellvertretende China-Direktorin bei Human Rights Watch. „Die Schließung, Zerstörung und Umwandlung von Moscheen durch die chinesische Regierung ist Teil eines systematischen Versuchs, die Ausübung des Islam in China einzuschränken.“

Nach chinesischem Recht dürfen Menschen nur in amtlich zugelassenen Gebetsstätten offiziell zugelassene Religionen praktizieren. Die Gebetsstätten unterliegen hierbei der strengen Kontrolle der Behörden. Seit 2016, als Präsident Xi Jinping zur „Sinisierung“ der Religionen aufrief, die sicherstellen soll, dass die Kommunistische Partei Chinas (KPCh) das spirituelle Leben der Menschen bestimmt, wurde die staatliche Kontrolle diesbezüglich ausgeweitet.

Die „Moscheekonsolidierung“[1] wird in einem Dokument der KPCh vom April 2018 erwähnt. In diesem wird eine mehrgleisige nationale Strategie zur „Sinisierung“ des Islam skizziert, was bedeutet, dass der Islam chinesischer gemacht werden soll.[2] In diesem Dokument werden die KPCh und die staatlichen Behörden im ganzen Land angewiesen, „die standardisierte Verwaltung des Baus, der Renovierung und der Erweiterung islamischer Stätten zu stärken“. Das Dokument stellt fest, dass ein zentraler Grundsatz hinter dieser „Verwaltung“ darin besteht, dass „keine neuen islamischen Stätten gebaut werden sollen“, um „die Gesamtzahl [der Moscheen] zu reduzieren“. Auch wenn es Ausnahmen geben kann, heißt es in dem Dokument, dass „mehr [Moschee-]Abrisse als Neubauten erfolgen sollen“.

Ma Ju, ein in den USA lebender Hui-Muslim-Aktivist, der mit weiteren Hui in China in Kontakt steht, die von dieser Politik betroffen sind, erklärte gegenüber Human Rights Watch, dass dies Teil der Bemühungen ist, gläubige Muslim*innen zu „transformieren“ (转化), um ihre Loyalität auf die KPCh zu lenken: „Regierungsbeamte wenden sich zuerst an die Mitglieder der Kommunistischen Partei, die auch Hui-Muslime sind ... dann gehen sie dazu über, Studierende und Regierungsangestellte zu ‚überzeugen‘, denen mit Verlust des Studien- oder Arbeitsplatzes gedroht wird, sollten sie an ihrem Glauben festhalten.“

Verfügbare Regierungsdokumente deuten darauf hin, dass die chinesische Regierung Moscheen in den Provinzen Ningxia und Gansu „konsolidiert“ hat. Diese sind nach Xinjiang die Provinzen mit den meisten muslimischen Einwohner*innen.[3] Seit 2017 haben die chinesischen Behörden in Xinjiang zwei Drittel der Moscheen in der Region beschädigt oder zerstört, so eine australische Forschungsorganisation. Etwa die Hälfte der Gebetshäuser wurde komplett abgerissen.

In Ningxia hat Human Rights Watch Videos und Bilder, die von Hui-Muslim*innen online gepostet wurden, geprüft und analysiert und mit Satellitenbildern abgeglichen, um die Umsetzung der Politik in zwei Dörfern zu untersuchen. Von den sieben Moscheen in diesen Dörfern wurden vier erheblich zerstört: drei Hauptgebäude wurden dem Erdboden gleichgemacht und der Waschraum einer Moschee wurde im Inneren beschädigt. Die Behörden haben die Kuppeln und Minarette aller sieben Moscheen entfernt.

Human Rights Watch konnte nicht genau ermitteln, wie viele Moscheen in Ningxia und Gansu geschlossen oder umfunktioniert wurden, da die offiziellen Dokumente keine genauen Angaben hierzu enthalten. In einem demnächst erscheinenden Bericht schätzen Hannah Theaker und David Stroup, die zu den Hui-Muslim*innen forschen, dass ein Drittel der Moscheen in Ningxia seit 2020 geschlossen wurde.[4] In einem Bericht von Radio Free Asia vom März 2021 wurde geschätzt, dass zwischen 400 und 500 Moscheen in Ningxia von einer Schließung bedroht sind. Im Jahr 2014 gab es dort noch 4.203 Moscheen.

Die chinesische Regierung behauptet, dass die Politik der „Moscheekonsolidierung“ darauf abzielt, „die wirtschaftliche Belastung für Muslim*innen zu verringern“, insbesondere für diejenigen, die in verarmten und ländlichen Gebieten leben.[5] Aktionen gegen Moscheen finden häufig statt, wenn die chinesische Regierung Dorfbewohner*innen aus diesen Gebieten umsiedelt und mehrere Dörfer zu einem zusammenlegt.[6] Die Regierung behauptet auch, dass die verschiedenen islamischen Konfessionen, die sich dieselben Räumlichkeiten teilen, so lernen, „in Einheit“ und „harmonischer“ miteinander zu leben.

Einige Hui-Muslim*innen haben sich trotz der staatlichen Zensur öffentlich gegen diese Politik ausgesprochen. Im Januar 2021 klagten die Behörden in Ningxia fünf Hui wegen „Aufruhrs“ an, nachdem sie 20 Personen angeführt hatten, die im Büro des Parteichefs des Dorfes gegen die Politik protestierten. Die Menschen haben auch gegen die Schließung und den Abriss von Moscheen sowie gegen die Entfernung von Kuppeln und Minaretten in Ningxia, Gansu und anderen muslimischen Hui-Regionen wie Qinghai und Yunnan protestiert.[7]

Ma Ju sagte gegenüber Human Rights Watch, dass die Konsolidierung der Moscheen darauf abzielt, die Menschen davon abzuhalten, zum Beten in die Moscheen zu gehen: „Nach der Entfernung der Minarette und Kuppeln beginnen die lokalen Regierungen, Dinge zu entfernen, die für religiöse Zwecke wichtig sind, wie etwa Waschräume und Predigerpodeste.“

Ma Ju sagte ferner, die Regierung versuche die Menschen von der Religionsausübung abzuhalten: „Wenn die Leute nicht mehr in die Moschee gehen, benutzen sie [die Behörden] das als Vorwand, um diese zu schließen.“ Er sagte, dass die Behörden in den verbleibenden „sinisierten“ Moscheen Überwachungssysteme installieren: „Nach dem Umbau werden die Besucher der verbleibenden Moscheen streng durch die lokalen Regierungen überwacht.“, so Ma Ju. „Am Anfang werden die Ausweise der Besucher kontrolliert. Dann installieren sie Überwachungskameras, ... um [diejenigen, denen der Besuch von Moscheen untersagt ist, einschließlich] Mitglieder der Kommunistischen Partei oder Kinder zu identifizieren.“

Artikel 18 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte besagt, dass „jeder Mensch das Recht auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit hat“. Jeder Mensch hat das Recht, „seine Religion oder seine Überzeugung […] durch Lehre, Ausübung, Gottesdienst und Vollziehung von Riten zu bekunden.“. Die chinesische Regierung sollte die Sinisierung der Religionen rückgängig machen, Gesetze und Verordnungen, die das Recht auf Religionsfreiheit einschränken, überprüfen und aufheben und die Menschen freilassen, die wegen friedlicher Kritik oder Protests gegen diese restriktive Politik in Haft sitzen.

Ausländische Regierungen, insbesondere die Mitgliedsstaaten der Organisation für Islamische Zusammenarbeit (OIZ), sollten die chinesische Regierung drängen, ihre Politik der „Moscheekonsolidierung“ und die allgemeine Sinisierungskampagne einzustellen.

„Die Sinisierungspolitik der chinesischen Regierung zeigt eine generelle Missachtung der Religionsfreiheit nicht nur aller Muslim*innen in China, sondern aller Religionsgemeinschaften im Land“, sagte Wang. „Regierungen, die um die Religionsfreiheit besorgt sind, sollten dies direkt bei der chinesischen Regierung sowie bei den Vereinten Nationen und in anderen internationalen Foren ansprechen.“

[1] Diese Politik wird im Chinesischen bisweilen als „合坊并寺”, „合坊建寺” oder „合村并寺” bezeichnet.

[2] Das Dokument, das als „Dokument Nr. 10“ bekannt ist, wurde von der chinesischen Regierung nicht veröffentlicht. Es wurde als Teil der „Xinjiang Papers“ veröffentlicht. Auf den Seiten 5 und 6 wird die Politik zur Verringerung der Zahl der Moscheen in China erwähnt.

[3] Offiziellen Angaben zufolge gab es 2014 in China 39.135 Moscheen. Die drei Regionen mit der größten Anzahl von Moscheen sind Xinjiang (24.100), Gansu (4.606) und Ningxia (4.203). Siehe „版权所有 中国伊斯兰教协会, "2015最新中国清真寺数量及分布“, 3. März 2015. http://www.chinaislam.net.cn/cms/news/media/201503/03-8001.html.  

[4] Hannah Theaker und David Stroup, Making Islam Chinese: Religious Policy and Mosque Sinicization in the Xi Era, erscheint demnächst.

[5] Zu den Umsiedlungen auf dem Lande, siehe: Emily Feng, "In Rural China, Villagers Say They're Forced From Farm Homes To High-Rises," NPR, 10. August 2020, https://www.npr.org/2020/08/10/893113807/china-speeds-up-drive-to-pave-rural-villages-put-up-high-rises.

[6] In den konsolidierten Dörfern von Laochi außerhalb der Stadt Yinchuan (西夏区兴泾镇十里铺村涝池组合坊) gab es früher mindestens drei Moscheen (Laochi-Süd-Moschee, Laochi-Nord-Moschee und Laochi-Ost-Moschee), wie aus einem Moscheeverzeichnis von Ningxia aus dem Jahr 2009 hervorgeht. Als die Behörden die Dörfer konsolidierten, wurden nur zwei Moscheen wieder aufgebaut. Siehe: 北京市建壮咨询有限公司宁夏分公司, “十里铺村涝池组合坊并寺异地重建项目1#寺施工变更公告[变更公告],” 1. Juli 2021, http://www.nxggzyjy.org/ningxiaweb/002/002001/002001002/20210701/caf25360-441c-4c22-af20-f84545427878.html und 十里铺村涝池组合坊并寺异地重建项目2#寺施工招标文件, "十里铺村涝池组合坊并寺异地重建项目2#寺施工招标公告," 18. Januar 2021, http://www.nxggzyjy.org/ningxiaweb/002/002001/002001001/20210118/a2408fc2-8b66-40bb-9add-a80a9bbb7a39.html. 

[7] Die demnächst erscheinende Studie von Theaker und Stroup zeigt auch, wie die Politik der Moscheekonsolidierung in der Provinz Qinghai umgesetzt wird, wenn auch unter anderen Bezeichnungen, und dass sie wahrscheinlich auch in der Provinz Yunnan umgesetzt werden wird, da die Sinisierungsbemühungen der Behörden in Ningxia begonnen haben, bevor die gleichen Methoden anderswo angewandt werden.

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