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Kosovo: Strafrechtssystem lässt Opfer im Stich

Unzulänglicher Zeugenschutz stellt Behörden vor grosse Probleme

(Brüssel, 28. März, 2008) – Die Regierung des Kosovo soll mit der kürzlich von der Europäischen Union entsandten Mission zur Förderung des Rechsstaates vollständig zusammenarbeiten, fordert die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch in einem heute veröffentlichten Bericht. Eine grundlegende Reform erfordert insbesondere das Strafrechtssystem, das trotz zweijähriger Aufbauarbeit noch immer sehr schwach ist. Die EU Mission (bekannt als EULEX) soll die Justizreform in die Hand nehmen. Die Unruhen vom 17. März 2008 in Mitrovica unterstreichen erneut die Wichtigkeit einer starken und wirkungsvollen Strafjustiz, damit derartige Gewalttaten verhindert, untersucht und strafrechtlich verfolgt werden können.

" Die EU liegt richtig mit ihrer Entscheidung, sich auf das Rechtssystem zu konzentrieren. Doch solange die EU und die USA nicht bereit sind, gefährdete Zeugen aus Kosovo bei sich aufzunehmen, bleibt es praktisch unmöglich, diejenigen strafrechtlich zu verfolgen, die für einige der schlimmsten Verbechen verantwortlich sind.  
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Holly Cartner, Direktorin der Abteilung Europa und Zentralasien von Human Rights Watch
  

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„Kosovos Strafrechtssystem liegt am Boden”, sagte Holly Cartner, Direktorin der Abteilung Europa und Zentralasien von Human Rights Watch. „Es muss dringend aufgebaut werden, und das erfordert den vollen Einsatz der Regierung und der EU.“  
 
Der 34-seitige Bericht “Kosovo Criminal Justice Scorecard” bewertet die Fortschritte im Justizsystem seit der Veröffentlichung eines Berichtes von Human Rights Watch im Mai 2006 mit dem Titel “Not on the Agenda: The Continuing Failure to Address Accountability in Kosovo Post-March 2004” über die strafrechtlichen Folgen der gewalttätigen Ausschreitungen vom März 2004.  
 
Der Folgebericht kommt zu dem Schluss, dass gerade bei wichtigen Schwachstellen des Systems nur wenig Fortschritte zu verzeichnen sind: Noch immer gibt es ungenügende Polizeiunterstützung für Untersuchungsrichter, schlechte Kooordination zwischen nationalen und internationalen Elementen des Systems (wo internationale Richter, Staatsanwälte und Polizeibeamte mit ihren nationalen Amtskollegen zusammenarbeiten sollten), sowie ein elektronisches Fallmanagementsystem, das trotz Milllionen-investitionen von verschiedenen bilateralen Geldgebern noch immer nicht funktioniert.  
 
Der Zeugenschutz ist ein außerordentliches Problem, besonders wo es um Fälle mit organisiertem Verbrechen, Kriegsverbrechen und Angriffen auf Minderheiten geht. Das Einschüchtern und Belästigen von Zeugen ist so weit verbreitet, dass viele potentielle Zeugen nicht bereit sind, die Behörden zu informieren oder vor Gericht auszusagen. Kosovo hat kein Zeugenschutzgesetz und sogar die bestehenden Massnahmen werden von Richtern und Staatsanwälten oft nicht ausgeschöpft. In ganz heiklen Fällen besteht der einzige wirkungsvolle Schutz darin, Zeugen ausser Landes zu bringen. Trotzdem sind die europäischen Länder und die USA nur zögerlich bereit, Zeugen aus Kosovo aufzunehmen oder sonstwie zu unterstützen.  
 
„Die EU liegt richtig mit ihrer Entscheidung, sich auf das Rechtssystem zu konzentrieren”, so Cartner. „Doch solange die EU und die USA nicht bereit sind, gefährdete Zeugen aus Kosovo bei sich aufzunehmen, bleibt es praktisch unmöglich, diejenigen strafrechtlich zu verfolgen, die für einige der schlimmsten Verbechen verantwortlich sind.”  
 
Problematisch ist auch die unzureichende Aufsicht über die Arbeit von Richtern, Staatsanwälten und Polizei, besonders beim internationalen Kontingent. Mangelnde Transparenz im System und unzureichende Öffentlichkeitsarbeit machen es der Bevölkerung schwer, sich ein zutreffendes Bild von der Effektivität des Rechtssystems zu machen.  
 
Das ungenügende Rechtssystem Kosovos hat weitreichende Konsequenzen. Viele der aktuellen Probleme Kosovos im Bereich der Menschenrechte, insbesondere ethnisch und politisch motivierte Gewaltausbrüche wie die minderheitsfeindlichen Unruhen von 2004, sind wesentlich auf das Unvermögen der Behörden zurückzuführen, solche Vorfälle zu untersuchen und deren Urheber zu verhaften und vor Gericht zu stellen.  
 
„Es wird nicht leicht sein, im Kosovo einen Rechtsstaat aufzubauen,” sagte Cartner. „Vieles hängt von der Fähigkeit ab, aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen und vom Willen der Regierung sowie der neuen internationalen Mission, Verbrechen aufzudecken, zu verfolgen und zu ahnden, wo und wann immer sie begangen werden.”  
 
Der Bericht enthält konkrete Empfehlungen an die wichtigsten Akteure des Strafrechssystems im Kosovo, einschliesslich an die dortige Regierung und die rechstsstaatliche Mission der EU; hier einige Beispiele:  
 
• Gewährleisten, dass das Strafrechtssystem voll integriert ist, mit wirkungsvoller Koordination zwischen internationalen und nationalen Richtern, Staatsanwälten und Polizei;  
• Einführung eines Verfahrens, das der Polizei im Kosovo erlaubt, nationale und internationale Staatsanwälte bei Strafuntersuchungen wirkungsvoll zu unterstützen;  
• Prioritäten setzen bei der Beseitigung der Hindernisse für ein wirkungsvolles Zeugenschutzprogramm; dazu gehört die Einführung eines Zeugenschutzgesetzes und die Verpflichtung von EU, USA und anderen Staaten, bedrohte Zeugen aufzunehmen; und  
• dafür sorgen, dass alle Gerichtsbediensteten das elektronische Fallmanagement System bedienen können und anwenden.  

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