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European Union flags wave in the wind as pedestrians walk by EU headquarters in Brussels, Wednesday, Sept. 20, 2023. © 2023 AP Photo/Virginia Mayo, File

Die EU hat den Weg für ein neues Kapitel der weltweiten Unternehmensverantwortung geebnet. Am 24. Mai 2024 wurde die EU-Richtlinie über die Sorgfaltspflicht von Unternehmen im Bereich der Nachhaltigkeit (CSDDD) verabschiedet. Diese ist somit ein offizielles Gesetz, das nun alle EU-Mitgliedstaaten in nationales Recht umsetzen müssen.

Dieses Frage-Antwort-Dokument befasst sich damit, was das neue Gesetz von Unternehmen verlangt, um die Menschen entlang ihrer Lieferketten auf der ganzen Welt zu schützen. Es zeigt seine Stärken und Schwächen und erläutert, welche Möglichkeiten entlang der Lieferketten betroffene Menschen und ihre Vertreterorganisationen haben, um ihre Rechte zu schützen.

Was ist die Richtlinie über die Sorgfaltspflicht von Unternehmen und warum ist sie wichtig?

In unserer globalisierten Welt nutzen wir täglich Produkte und Dienstleistungen von Unternehmen, auch von solchen mit Sitz in der EU, die wiederum oft auf globale „Lieferketten“ für diese Produkte und Dienstleistungen angewiesen sind. Die EU ist auch einer der größten Märkte, auf dem nicht in der EU ansässige Unternehmen Verbraucher*innen ihre Produkte verkaufen können. Angetrieben werden diese globalen Wertschöpfungsketten von Millionen Arbeiter*innen. Die Tätigkeit dieser Unternehmen wirkt sich auf das Leben und die Rechte von Milliarden Menschen aus.

Hinter sehr vielen Produkten und Dienstleistungen verbirgt sich ein komplexes Netz von Geschäftsbeziehungen. Manche dieser Geschäftstätigkeiten schaden Gemeinden, Arbeiter*innen und auch der Umwelt. In unseren Autos kann zum Beispiel Bauxit enthalten sein, das in Guinea abgebaut wird, wo es zu Wasserknappheit führt, und dann in Xinjiang in China zu Aluminium verarbeitet wird, wo Uigur*innen und andere turkstämmige Minderheiten Opfer von Zwangsarbeit und anderen Menschenrechtsverletzungen werden. Das Gold für den Schmuck, den wir in einem Geschäft bei uns kaufen, wurde möglicherweise in Ghana durch gefährliche Kinderarbeit abgebaut. Das Palmöl in unserer Bodylotion stammt vielleicht von Plantagen in Indonesien, wo die Betreiber indigene Gruppen vertreiben und sie ihrer Landrechte berauben. Die Kleidung oder die Schuhe, die wir bei uns kaufen, können in Bangladesch hergestellt sein, wo Arbeiter*innen menschenrechtsverletzenden und gefährlichen Arbeitsbedingungen ausgesetzt sind. Unternehmen verkaufen möglicherweise über große E-Retailer wie Amazon, die wiederum riesige Logistikeinrichtungen betreiben, in denen die Arbeitsbedingungen extrem prekär sind. Dort lagern die Produkte, die uns dann nach Hause geliefert werden.

Da sich freiwillige Standards, die Unternehmen zur Einhaltung von Menschen- und Arbeitsrechten sowie von Umweltstandards in ihren Betrieben und in ihren Lieferketten anhalten, nicht bewährt haben, wurden die Rufe nach rechtlich verbindlichen Vorschriften für Unternehmen immer lauter. Solche Gesetze gehen inzwischen über freiwillige Standards wie die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen (1978) und die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte (2011) sowie über freiwillige Brancheninitiativen wie Zertifizierungssysteme hinaus.

In den letzten Jahren haben mehrere Länder in Europa Gesetze zur Sorgfaltspflicht in den Lieferketten eingeführt, die Unternehmen dazu verpflichten, Menschenrechts-, Arbeitsrechts- und Umweltrisiken in ihren eigenen Betrieben und denen ihrer Geschäftspartner entlang ihrer Lieferketten zu erkennen, zu verhindern, abzumildern und zu beheben. Entsprechende Gesetze wurden etwa in Frankreich, Deutschland und Norwegen verabschiedet. Die Niederlande, Belgien und Österreich planen aktuell ähnliche Maßnahmen. 

Die Bemühungen um die Einführung eines EU-weiten Sorgfaltspflichtgesetzes, das für Unternehmen und ihre globalen Lieferketten gilt, laufen seit 2020. Herausgekommen ist nun das neue Gesetz, das für große Unternehmen in ihren eigenen Betrieben und denen entlang ihrer gesamten Lieferketten gilt. Dieses Gesetz verpflichtet alle EU-Mitgliedstaaten, einschließlich Ländern wie Frankreich und Deutschland, nationale Gesetze einzuführen oder bereits bestehende entsprechend zu aktualisieren.

Welches sind die größten Stärken des neuen Gesetzes über die Sorgfaltspflicht von Unternehmen?

Das neue Sorgfaltspflichtgesetz hat viele positive Eigenschaften. Einige der wichtigsten sind:

  • Es legt einen EU-weiten Standard für die Sorgfaltspflicht von Unternehmen fest, den alle EU-Mitgliedstaaten in ihre nationale Gesetzgebung aufnehmen und umsetzen sollten.
  • Es verlangt von den Unternehmen eine Sorgfaltsprüfung in Bezug auf eine lange Liste von Menschen- und Arbeitsrechten sowie Umweltstandards, die in den Anhängen zu den Rechtsvorschriften aufgeführt sind. Diese Liste kann in einigen Jahren überprüft und bei Bedarf aktualisiert oder erweitert werden.
  • Es verpflichtet Unternehmen, bei der Durchführung von Due-Diligence-Prüfungen effektiv mit Stakeholdern - also den betroffenen Menschen - zusammenzuarbeiten. Zu den Stakeholdern gehören Arbeiter*innen, indigene Gemeinschaften, Landwirt*innen, lokale Gemeinden und andere, die potenziell von der Geschäftstätigkeit eines Unternehmens betroffen sind, sowie Gewerkschaften und andere Organisationen, die Betroffene vertreten.
  • Es verpflichtet Unternehmen zu einer Reihe von Maßnahmen zur Risikovermeidung und -minderung, einschließlich einer Änderung der Einkaufspraktiken. Dies könnte dazu beitragen, Druck auf die Unternehmen auszuüben, faire Geschäftsmodelle einzuführen und ihre Geschäftspartner dabei zu unterstützen, ebenfalls die Menschenrechte, Arbeitsrechte und Umweltstandards zu respektieren.
  • Es sieht eine behördliche Aufsicht vor, die den Aufsichtsbehörden in den EU-Mitgliedstaaten die Befugnis erteilt, zu prüfen, ob Unternehmen ihren Sorgfaltspflichten nachkommen. Sollte festgestellt werden, dass dies nicht der Fall ist, können die Behörden Strafen in Höhe von maximal 5 Prozent des weltweiten Nettojahresumsatzes des jeweiligen Unternehmens verhängen.
  • Es führt ein Zivilklagerecht für Opfer von Menschenrechtsverletzungen durch Unternehmen ein, sodass diese vor nationalen Gerichten der EU-Mitgliedstaaten zivilrechtliche Ansprüche in Fällen geltend machen können, in denen ein Unternehmen vorsätzlich oder fahrlässig seinen gesetzlichen Verpflichtungen zur Verhinderung potenzieller schädlicher Auswirkungen und zur Beendigung dieser schädlichen Auswirkungen nicht nachkommt und dieses Versäumnis zu einer Schädigung des nach nationalem Recht geschützten Rechtsguts einer natürlichen oder juristischen Person führt.
  • Die EU-Mitgliedstaaten müssen sicherstellen, dass die Regeln für Zivilklagen die Opfer von Menschenrechtsverletzungen durch Unternehmen nicht übermäßig belasten, etwa in Bezug aufVerjährungsfristen, Verfahrenskosten und Unterlassungsklagen, um schädliche Praktiken zu stoppen. Betroffene können über Gewerkschaften und andere zivilgesellschaftliche Organisationen mit Sitz in einem EU-Mitgliedstaat Klage einreichen, in Übereinstimmung mit den von den EU-Mitgliedstaaten eingeführten gesetzlichen Bestimmungen für eine solche rechtliche Vertretung.
  • Es verlangt ab dem 1. Januar 2029 den Zugang zu Informationen über ein einheitliches europäisches Zugangsportal, über das alle öffentlichen Erklärungen von Unternehmen über eine von der Europäischen Kommission geführte Online-Datenbank zugänglich sein werden.
  • Es sieht sektorspezifische Leitlinien der Europäischen Kommission vor, um sicherzustellen, dass die verschiedenen Wirtschaftszweige alle Anforderungen bestmöglich erfüllen.

Wo liegen die größten Schwachstellen des neuen Gesetzes?

Die Richtlinie über die Sorgfaltspflicht von Unternehmen im Bereich der Nachhaltigkeit ist zwar in vielerlei Hinsicht bahnbrechend, hat aber auch erhebliche Schwachstellen und bleibt weit hinter den Empfehlungen zahlreicher zivilgesellschaftlicher Organisationen zurück, darunter Human Rights Watch, die European Coalition of Corporate Justice, die Clean Clothes Campaign, das Europäische Zentrum für Verfassungs- und Menschenrechte, Gewerkschaften aus Erzeugerländern und andere.

Der Rat der Europäischen Union, der sich aus den EU-Mitgliedstaaten zusammensetzt, hat das Gesetz aufgeweicht, indem er viele Vorbehalte und Ausnahmen einführte, deren Auswirkungen erst abschätzbar werden, wenn das Gesetz in die Umsetzung und Durchsetzung geht. Die problematischsten Schlupflöcher sind:

  • 99 Prozent der in der EU ansässigen Unternehmen sind von der Richtlinie ausgenommen, wobei für kleine und mittlere Unternehmen keine gesetzlichen Verpflichtungen bestehen. Die Richtlinie gilt für eine kleine Untergruppe von Großunternehmen mit durchschnittlich mehr als 1.000 Beschäftigten und einem Jahresumsatz von mehr als 450 Millionen Euro. Der Geltungsbereich der Richtlinie wurde vom Rat der EU in verschiedenen Verhandlungsphasen erheblich eingeschränkt, wobei es in letzter Minute zu drastischen Änderungen kam, weil die französische, die deutsche und die italienische Regierung die Verhandlungen behinderten. Das Zentrum für die Erforschung multinationaler Unternehmen (Stichting Onderzoek Multinationale Ondernemingen, SOMO), eine niederländische Nichtregierungsorganisation, veröffentlichte eine vorläufige Schätzung, laut der nur etwa 5.400 Unternehmen unter diese Richtlinie fallen würden. Nach Angaben der European Coalition for Corporate Justice, einem Zusammenschluss von über 480 Nichtregierungsorganisationen, handelt es sich dabei um etwa 0,05 Prozent der EU-Unternehmen.
  • Es enthält eine zu enge Definition des Begriffs „Wertschöpfungskette“ eines Unternehmens und macht mehrere Ausnahmen, wobei viele Teile von Lieferketten als „nachgelagert“ definiert und somit von den Regelungen ausgeschlossen werden. So deckt das Gesetz beispielsweise nicht ausdrücklich den Verkauf von repressiven Überwachungs- und Gesichtserkennungstechnologien, die Ausfuhr verbotener Agrochemikalien aus der EU in andere Länder und die Abfallentsorgung ab.
  • Der Finanzsektor wird weitgehend ausgeklammert, womit ein wichtiger Bereich nicht berücksichtigt wird, da Finanzinstitute durch ihre Kreditvergabe und andere Finanzgeschäfte Menschenrechtsverletzungen und Umweltschäden ermöglichen können. Sie unterstützen zudem umweltverschmutzende Industrien, welche für die Klimakrise verantwortlich sind bzw. diese weiter vorantreiben.
  • Es schließt Sorgfaltspflichten im Zusammenhang mit dem Klimawandel aus. Das Gesetz beschränkt die Sorgfaltspflichten auf die wichtigsten Menschenrechts- und Umweltpflichten und schließt die Haftung für das Verhalten von Unternehmen in Bezug auf den Klimawandel aus. Stattdessen wird von den Unternehmen verlangt, dass sie einen Übergangsplan für die Eindämmung des Klimawandels aufstellen, ohne dass es Sanktionen gibt, sollten sie die gesteckten Emissionsreduktionsziele nicht erreichen.

Wie werden kleine und mittlere Unternehmen betroffen sein?

Kleine und mittlere Unternehmen haben keine rechtlichen Verpflichtungen im Rahmen der Richtlinie und müssen nicht mit regulatorischen Maßnahmen oder Sanktionen rechnen. Sie können aber indirekt betroffen sein. Die wichtigste Auswirkung ist, dass die kleinen und mittleren Unternehmen in den Lieferketten der großen Unternehmen durch vertragliche Zusicherungen die Last der Sorgfaltspflicht tragen müssen. Das Gesetz verpflichtet Unternehmen, die sich um vertragliche Zusicherungen bemühen, faire Verträge mit diesen kleinen oder mittleren Unternehmen abzuschließen und zu prüfen, welche angemessenen Maßnahmen, einschließlich des Aufbaus von Kapazitäten - und möglicher finanzieller Unterstützung - sie zur Unterstützung dieser Betriebe ergreifen sollten.

Die Mitgliedstaaten können eine Reihe anderer Unterstützungsmaßnahmen für kleine und mittlere Unternehmen einführen, auch finanzieller Art. Von der Europäischen Kommission wird außerdem erwartet, dass sie in regelmäßigen Abständen die Auswirkungen der Richtlinie auf diese Unternehmen bewertet und die Ergebnisse dem Europäischen Parlament und dem Rat der EU zur Kenntnis bringt.

Wann tritt das neue Gesetz in Kraft und wann können die Opfer von Menschenrechtsverletzungen durch Unternehmen rechtliche Schritte gegen diese einleiten?

Das Gesetz wird schrittweise umgesetzt werden. Es gibt eine drei- bis fünfjährige Frist, bevor es durchgesetzt werden kann und die Unternehmen Offenlegungen einreichen müssen.

Nach dem offiziellen Inkrafttreten des Gesetzes - 20 Tage nach seiner Veröffentlichung im Amtsblatt der EU, also etwa Mitte Juni 2024 - haben alle EU-Mitgliedstaaten zwei Jahre Zeit, um entsprechend neue nationale Gesetze zu verabschieden bzw. bereits bestehende anzupassen und andere Verwaltungsvorschriften zu erlassen, die zur Einhaltung der Richtlinie erforderlich sind.

Die Umsetzung und damit auch die Möglichkeit, tatsächlich Beschwerden gegen Unternehmen, die unter die Richtlinie fallen, vorzubringen, wird nach der Größe eines Unternehmens gestaffelt. Ab dem Inkrafttreten der Richtlinie müssen die Unternehmen diese wie folgt einhalten:

  • Nach drei Jahren, wenn die Unternehmen mehr als 5.000 Mitarbeitende beschäftigen und einen Umsatz von 1.500 Millionen Euro erzielen;
  • Nach vier Jahren, wenn die Unternehmen mehr als 3.000 Mitarbeitende beschäftigen und einen Umsatz von 900 Millionen Euro erzielen;
  • Nach fünf Jahren, wenn Unternehmen mit mehr als 1.000 Beschäftigten und 450 Millionen Euro Umsatz.

Somit können Opfer von Menschenrechtsverletzungen durch Unternehmen nicht unmittelbar rechtliche Schritte einleiten. Einige der in der Richtlinie genannten rechtlichen Verpflichtungen erfordern zudem weitere Leitlinien, welche die Europäische Kommission drei Jahre nach Inkrafttreten der Richtlinie zusammen mit dem Beginn ihrer tatsächlichen Umsetzung herausgeben sollte.

Welche Rolle spielen Gewerkschaften, Organisationen indigener Gemeinschaften und andere zivilgesellschaftliche Organisationen, auch solche außerhalb der EU?

Die Europäische Kommission hat die Aufgabe, Leitlinien zu verschiedenen Themen herauszugeben, darunter die Konsultation von Interessengruppen, Beschaffungspraktiken und Mustervertragsklauseln. Gewerkschaften und andere zivilgesellschaftliche Organisationen können und sollten die Entwicklung solcher Leitlinien auf der Grundlage ihrer Erfahrungen und anderer Untersuchungen und Veröffentlichungen beeinflussen.

Unternehmen sollten im Rahmen ihrer Sorgfaltspflicht Gewerkschaften und andere zivilgesellschaftliche Organisationen als wichtige Stakeholder konsultieren und effektiv einbeziehen. Gewerkschaften und andere zivilgesellschaftliche Organisationen werden auch eine wichtige Rolle spielen, wenn es darum geht, Menschenrechts- und Umweltauswirkungen in globalen Lieferketten, die unter das Gesetz fallen, zu überwachen, um bei Bedarf Klagen einzureichen.

Schließlich sollten Gewerkschaften und andere zivilgesellschaftliche Organisationen die Umsetzung und Durchsetzung des Gesetzes überwachen, um den anstehenden Überprüfungsprozess zu unterstützen.

Welche weiteren Initiativen sind für eine wirksame Umsetzung der Richtlinie erforderlich, abgesehen davon, dass sie in nationales Recht aller EU-Mitgliedstaaten aufgenommen werden muss?

In den nächsten Jahren, in denen die Opfer von Menschenrechtsverletzungen durch Unternehmen auf Leitlinien und die Umsetzung der Richtlinie in den nationalen Rechtsrahmen durch die Mitgliedstaaten warten, müssen sich die Unternehmen darauf vorbereiten, ihre Ansätze und Methoden der menschenrechtlichen und umweltbezogenen Sorgfaltspflicht zu optimieren. Dies ist eine wichtige Gelegenheit für Geber, darunter auch für Entwicklungshilfsorganisationen, die Entwicklung neuer Überwachungsinstrumente zu unterstützen und sich aktiv daran zu beteiligen, um die Auswirkungen dieser Praktiken und Methoden auf die Arbeiter*innen und die verschiedenen betroffenen Gemeinschaften zu beurteilen. Dazu könnten beispielsweise Vereinbarungen über den Vorteilsausgleich mit den vom Bergbau oder der Erhaltung der Wälder betroffenen Gemeinschaften gehören, ebenso wie Initiativen zur Ausweitung der Lohntransparenz für Arbeiter*innen und verbindliche Vereinbarungen mit Unternehmen, um sicherzustellen, dass ihre Ergebnisse regelmäßig transparent zugänglich gemacht werden.

Welche Rolle spielen Audits und Zertifizierungen sowie Multi-Stakeholder- oder andere Brancheninitiativen in dieser Richtlinie?

In der Vergangenheit haben Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und Zertifizierungsstellen weitgehend ohne behördliche oder gerichtliche Kontrolle gearbeitet. Die EU-Richtlinie ändert dies, da Regulierungsbehörden und Gerichte die Verwendung von Audits und Zertifizierungen durch Unternehmen prüfen können.

In der Richtlinie heißt es, dass Unternehmen im Rahmen ihrer Sorgfaltspflicht die „Angemessenheit” von Audits, Zertifizierungen, Multi-Stakeholder- oder anderen Brancheninitiativen bewerten und diejenigen verwenden sollen, die sie für die in der Richtlinie festgelegten Ziele und Verpflichtungen für geeignet halten. Unabhängig von der Eignung einer Initiative können sich Unternehmen durch die Nutzung solcher Initiativen nicht vor Haftung oder Regulierungsmaßnahmen schützen. Die Europäische Kommission wurde damit beauftragt, „Eignungskriterien und eine Methodik für Unternehmen zur Bewertung der Eignung von Branchenprogrammen und Multi-Stakeholder-Initiativen” zu erstellen.

Human Rights Watch hat wiederholt auf die Risiken und den Schaden hingewiesen, der entsteht, wenn man sich auf Sozialaudits und Zertifizierungen verlässt. Sie sind keine zuverlässigen Instrumente, um komplexe Probleme wie Zwangsarbeit, Kinderarbeit, Belästigung und Diskriminierung sowie Verstöße gegen die Vereinigungsfreiheit aufzudecken und zu beheben. Auditberichte sind oft oberflächlich und beinhalten häufig sich wiederholende Standardformulierungen. Undurchsichtige Audits sind äußerst problematisch und bilden einen fruchtbaren Boden für unentdeckte Mängel im Audit-Prozess.

Transparente Audits und Zertifizierungen würden viel dazu beitragen, Instrumente zur Sorgfaltsprüfung auszumachen, die von Unternehmen häufig genutzt werden. Bessere Audits oder transparentere Auditberichte sollten jedoch nicht mit einer soliden Sorgfaltspflicht gleichgesetzt werden. Sie können bestenfalls als Informationsquelle dienen. Unternehmen, die Audits und Zertifizierungen nutzen, sollten jedoch in der Lage sein, nachzuweisen, dass sie ihrer Sorgfaltspflicht kontinuierlich nachkommen und nicht nur auf veraltete Audit-Informationen verweisen.

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