(Toronto, 1. Februar 2011) – Mitarbeiter eines privaten Sicherheitsdienstes in einer Goldmine in Papua-Neuguinea werden mit mutmaßlichen Gruppenvergewaltigungen und anderen brutalen Missbrauchsfällen in Verbindung gebracht, so Human Rights Watch in einem heute veröffentlichten Bericht. Die Porgera-Mine hat seit ihrer Inbetriebnahme vor 20 Jahren Gold im Wert von mehreren Milliarden Dollar produziert. Sie wird von dem weltweit größten Goldproduzenten, der kanadischen Gesellschaft Barrick Gold betrieben, die 95 Prozent der Anteile hält.
Der 94-seitige Bericht „Gold’s Costly Dividend: Human Rights Impacts of Papua New Guinea’s Porgera Gold Mine“ zeigt systemimmanente Versäumnisse seitens des in Toronto ansässigen Unternehmens auf, wodurch Barrick Gold die Missbrauchsrisiken nicht erkannt und auf entsprechende Vorwürfe nicht reagiert hat. Der Bericht untersucht die Auswirkungen, die sich aus dem Versäumnis der kanadischen Regierung ergeben, die Tätigkeit eigener Unternehmen im Ausland zu regulieren. Darüber hinaus fordert Human Rights Watch Barrick auf, für mehr Transparenz in Umwelt- und Gesundheitsfragen zu sorgen.
„Wir haben mit Frauen gesprochen, die von brutalen Gruppenvergewaltigungen durch Sicherheitsbedienstete der Mine berichteten“, so Chris Albin-Lackey, Experte für Wirtschaft und Menschenrechte von Human Rights Watch. „Barrick hätte schon längst etwas unternehmen müssen und nicht erst nach den Untersuchungen von Human Rights Watch aktiv werden sollen.“
Human Rights Watch zufolge hat Barrick inzwischen geeignete Maßnahmen ergriffen, um früheren Missbrauchsfällen nachzugehen und ähnliche Fälle in der Zukunft möglichst auszuschließen.
Die meisten weltweiten Bergbau- und Förderunternehmen haben ihren Sitz in Kanada. Die kanadische Regierung hat bisher jedoch keine geeigneten Kontroll- oder Regulierungsmaßnahmen für die Auslandsaktivitäten kanadischer Unternehmen, so Human Rights Watch. Der Gesetzesentwurf C 300, ein kleiner, aber wichtiger Schritt für mehr staatliche Kontrolle, wurde im Oktober 2010 im Unterhaus abgelehnt. Barrick hatte seinen ganzen Einfluss dagegen geltend gemacht.
„Die kanadische Regierung schläft mit offenen Augen“, so Albin-Lackey. „Wenn Barrick ein verantwortungsbewusstes Unternehmen sein will, soll es geeignete staatliche Kontroll- und Regulierungsmaßnahmen für kanadische Unternehmen unterstützen.“
Die riesige Porgera-Goldmine in Papua-Neuguinea hat seit ihrer Inbetriebnahme im Jahr 1990 mehr als 16 Millionen Unzen Gold im Wert von über 20 Milliarden US-Dollar produziert, legt man den aktuellen Goldpreis zugrunde. Im Jahr 2010 war das weltweit operierende Unternehmen Barrick auf dem besten Wege, über 7,5 Millionen Unzen Gold im Wert von 9,7 Milliarden US-Dollar zu produzieren.
Papua-Neuguinea ist reich an Bodenschätzen, doch aufgrund schlechter Regierungsführung und Korruption profitiert die einfache Bevölkerung nicht von diesem Reichtum. Die Regierung hat bisher weder die wirtschaftlichen Möglichkeiten genutzt noch die wichtigsten staatlichen Dienstleistungen in Porgera bereitgestellt. Stattdessen ist die Region weiterhin von Armut und Gewalt geprägt.
Barrick unterhält in Porgera einen eigenen Sicherheitsdienst mit 450 Mitarbeitern. Sie sind mit außergewöhnlichen sicherheitstechnischen Herausforderungen konfrontiert, einschließlich gewaltsamen Überfällen von Gruppen illegaler Schürfer. Die Fälle von skrupellosem und gewalttätigem Missbrauch, die mutmaßlich von Mitarbeitern des Sicherheitsdienstes verübt wurden, stehen jedoch damit in keinerlei Zusammenhang.
Täglich suchen Hunderte Menschen in den Abraumhalden rund um die Minen nach winzigen Spuren von Gold und schlagen sich damit mehr schlecht als recht durch. Im Gegensatz zu den Personen, die an den gewalttätigen Überfällen beteiligt sind, gehen diese Menschen einer zwar unlizenzierten Tätigkeit nach, wenden in der Regel aber keinerlei Gewalt an. Werden sie erwischt, droht ihnen die Festnahme durch den Sicherheitsdienst des Unternehmens.
Human Rights Watch untersuchte sechs mutmaßliche Fälle von Gruppenvergewaltigungen durch Sicherheitsbedienstete. In allen Fällen wurden die Frauen offenbar nach ihrer Festnahme auf den Abraumhalden vergewaltigt. Alle von Human Rights Watch befragten Frauen sprachen von übermäßiger Gewaltanwendung. Eine Frau berichtete von einer Vergewaltigung durch sechs Sicherheitsleute. Einer der Täter war ihr zuvor mit dem Fuß ins Gesicht getreten und hatte ihr dabei das Gebiss zertrümmert. Human Rights Watch dokumentiert weitere Fälle, bei denen die Opfer angaben, von den Wachleuten, die sie auf den Abraumhalden festgenommen hatten, geprügelt oder auf andere Weise misshandelt worden zu sein.
Keine der von Human Rights Watch befragten Frauen hatte die mutmaßliche Vergewaltigung bei den lokalen Behörden oder beim Unternehmen angezeigt. Einige Frauen berichteten, ihre Angreifer hätten ihnen mit Verhaftung gedroht, wenn sie versuchten, sich zu beschweren. Erschwerend kommt hinzu, dass Barrick den Betroffenen keine Möglichkeit bot, einen Missbrauchsfall auf sicherem Weg zur Anzeige zu bringen.
Barrick reagierte entschlossen auf die Vorwürfe von Human Rights Watch. Das Unternehmen veranlasste eine breit angelegte interne Untersuchung, unterstützte die strafrechtlichen Ermittlungen der Polizei von Papua-Neuguinea und verpflichtete sich, für eine bessere Kontrollen zu sorgen und die Sicherheitskräfte in Porgera zur Rechenschaft zu ziehen.
Die mutmaßlichen Gruppenvergewaltigungen sind offenbar Teil eines größeren Problems, so Human Rights Watch. Durch die Ermittlungen der Polizei und die unternehmensinternen Untersuchungen infolge der Enthüllungen von Human Rights Watch wurden weitere mutmaßliche Fälle von sexueller Gewalt aufgedeckt.
In einer öffentlichen Stellungnahme bezeichnete Barrick die Ergebnisse der unternehmensinternen Untersuchungen als „erschreckend“ und kündigte die Entlassung mehrerer Sicherheitsbediensteter aufgrund ihrer Beteiligung an mutmaßlichen Fällen von sexueller Gewalt oder der unterlassenen Meldung solcher Fälle an. Die Polizei nahm im Januar 2011 drei ehemalige und aktuelle Mitarbeiter der Porgera Joint Venture fest. Zwei wurden wegen Vergewaltigung, der dritte wegen schwerer Körperverletzung angeklagt.
Am 17. Januar teilte die Polizei mit, dass im Zuge der Ermittlungen mit weiteren Anklagen zu rechnen sei und dass die Festnahmen eine Warnung sein sollen; schwerer Missbrauch werde nicht geduldet. Dies ist eine wichtige Botschaft, aber es wird einiges an Überzeugungsarbeit kosten, bis sie wirklich ernst genommen wird, so Human Rights Watch.
Angehörige der Polizeikräfte von Papua-Neuguinea sind regelmäßig in Fälle von Folter und Vergewaltigung verwickelt. Die Menschen zögern deshalb, sich bei Missbrauchsfällen an die Polizei zu wenden. Wenn die Regierung etwas gegen die Straflosigkeit bei Vergewaltigung und anderen schweren Verbrechen unternehmen will, muss sie zuerst sicherstellen, dass auch Angehörige der Polizei für ihr Verhalten zur Rechenschaft gezogen werden, so Human Rights Watch.
Human Rights Watch untersuchte auch die Auswirkungen der Porgera-Mine auf Umwelt und Gesundheit. Täglich werden 16.000 Tonnen flüssiger Abfälle in den nahegelegenen Fluss Porgera geleitet. Diese umstrittene Praxis steht nicht im Einklang mit den aktuellen Branchenrichtlinien. Kritiker befürchten ein mögliches Gesundheitsrisiko für die weiter flussabwärts lebenden Menschen.
Human Rights Watch forderte Barrick auf, aussagekräftige Daten aus unterschiedlichen Quellen zu veröffentlichen, um eine unabhängige Beurteilung zu ermöglichen. Das Unternehmen erklärte sich jetzt bereit, erstmalig einen Jahres-Umweltbericht zu veröffentlichen. Dies sei ein wichtiger erster Schritt, so Human Rights Watch.
Darüber hinaus appellierte Human Rights Watch an die Regierung Papua-Neuguineas sowie an internationale Geber, eine Untersuchung auf mögliche Gesundheitsschäden durch Quecksilber bei der Bevölkerung um Porgera zu unterstützen. Arme und illegale Schürfer mischen dem Golderz regelmäßig Quecksilber bei und erhitzen das Gemenge dann über offener Flamme, was äußerst gefährlich ist. Die lokalen Ärzte gehen davon aus, dass dies der Grund für eine erschreckende Anzahl unbehandelter Fälle von Quecksilbervergiftung in den Gemeinden sei.
Den Human Rights Watch-Bericht „Gold’s Costly Dividend: Human Rights Impacts of Papua New Guinea’s Porgera Gold Mine“ finden Sie unter:
https://www.hrw.org/node/95776
Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an:
In Toronto, Chris Albin-Lackey (Englisch, Französisch): +1-347-886-7733 (mobil)
In Washington, D.C., Arvind Ganesan (Englisch): +1-202-612-4329 oder +1-202-255-8305 (mobil)
In Bangkok, Phil Robertson (Englisch): +66-85-060-8406 (mobil)
In Perth, Elaine Pearson (Englisch): +61 415 489 428 (mobil)
Zeugenaussagen aus dem Bericht „Gold’s Costly Dividend: Human Rights Impacts of Papua New Guinea’s Porgera Gold Mine“:
„Ein Wachmann hielt mich an meinem Kleid zurück und zerriss es. Ein anderer drückte mich fest an sich – es waren keine Frauen, sondern Männer, sodass ich mich nicht wehren konnte. Sie stießen mich zu Boden und rissen mir alle Kleider vom Leib. Einer hielt mir die Hand vor die Augen, als er mich vergewaltigte ….“
– Eine Frau über eine mutmaßliche Gruppenvergewaltigung im Februar 2010 in der Nähe der Mine.
„Ich kniete mich hin und hielt meinen Rock fest. Ein Wachmann trat mir mit dem Fuß ins Gesicht. Ich habe unten fünf und oben drei Zähne verloren. Danach haben mich diese Sicherheitsleute vergewaltigt.“
– Eine Frau über eine Gruppenvergewaltigung Anfang 2009.
„Die Tatsache, dass sich diese Fälle möglicherweise ereignet haben, dass die Ermittlungen der PJV [Porgera Joint Venture] diese nicht aufdecken konnten und dass die Frauen die Vorfälle bei der PJV nicht angezeigt haben, aber offen mit Human Rights Watch darüber gesprochen haben, zeigt uns klar und unmissverständlich, dass wir unsere eigenen Standards und Erwartungen in dieser Hinsicht nicht erfüllen konnten.“
– Brief vom 23. Dezember 2010 von Barrick Gold an Human Rights Watch.
„Das Maß ist voll. Gewalt gegen Andere, egal in welcher Form, wird unter meiner Führung nicht geduldet ... Die Warnung ist ernst gemeint: Wer die Menschenrechte nicht achtet und sich nicht an die Gesetze unseres Landes hält, wird sich ohne Wenn und Aber vor Gericht verantworten müssen.“
– Mitteilung des Polizeipräsidenten Tony Wagambie zu den laufenden Ermittlungen zu Fällen sexueller Gewalt durch Bedienstete der Porgera Joint Venture am 17. Januar 2011.