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Rohingya-Flüchtlinge im Camp Kutupalong, um des 2. Jahrestags der grausamen Verfolgung durch das Militär Myanmars zu gedenken, Cox‘s Bazar, Bangladesch, 25. August 2019. © 2019 Rafiqur Rahman/Reuters

(Bangkok) – Sechs Jahre nachdem die Armee Myanmars am 25. August 2017 einen brutalen Militäreinsatz im Bundesstaat Rakhine gestartet hat, haben eine Million Rohingya-Geflüchtete in Bangladesch kaum Aussicht auf eine sichere Rückkehr in ihre Heimat, so Human Rights Watch. Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat Myanmars Generäle bislang nicht für Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermord an den Rohingya zur Rechenschaft gezogen.

Mehr als 730.000 Rohingya, die 2017 nach Bangladesch geflohen sind, leben nun in riesigen überfüllten Lagern und sehen sich mit zunehmenden Restriktionen durch die Behörden und einer Spirale von Gewalt durch bewaffnete Gruppen konfrontiert. Etwa 600.000 Rohingya sind in Myanmar verblieben, wo die Junta-Behörden sie in einer Art Apartheidsystem festhalten.

„Ihrer Staatsbürgerschaft beraubt leben Rohingya auf beiden Seiten der Grenze zwischen Myanmar und Bangladesch unter schrecklichen Bedingungen. Ihnen werden grundlegende Rechte verweigert und sie warten auf Gerechtigkeit und die Möglichkeit, nach Hause zurückzukehren“, sagte Shayna Bauchner, Asienexpertin bei Human Rights Watch. „Der UN-Sicherheitsrat bleibt untätig, statt diese Probleme direkt anzugehen. Durch die Kürzung der staatlichen Hilfe spitzt sich die ohnehin verzweifelte Lage der Rohingya noch weiter zu.“

Sowohl in Bangladesch als auch in Myanmar macht sich unter den Rohingya ein Gefühl der Hoffnungslosigkeit breit, das mit jedem Jahr und den sich verschärfenden Restriktionen und sich verschlechternden Bedingungen auf beiden Seiten der Grenze wächst, so Human Rights Watch.

Seit dem Militärputsch am 1. Februar 2021 in Myanmar haben die Sicherheitskräfte Tausende von Rohingya wegen „unerlaubten Reisens“ verhaftet und neue Bewegungseinschränkungen und Hilfsblockaden für Rohingya-Lager und Dörfer verhängt. Die systematischen Verstöße der Junta gegen die Rechte der Rohingya, wie Apartheid, Verfolgung und Freiheitsberaubung, stellen Verbrechen gegen die Menschlichkeit dar. Mehr als drei Monate nach dem tödlichen Zyklon Mocha, der den Bundesstaat Rakhine heimgesucht hat, blockiert die Junta weiterhin lebensrettende humanitäre Hilfe. Dazu gehört die dringend benötigte medizinische Versorgung von Gemeinden, die von Dengue und Malaria betroffen sind.

Geflüchtete Rohingya in Bangladesch berichten von neuen Hindernissen, wie etwa beim Zugang zu Bildung und Einkommen und in Bezug auf ihre Bewegungsfreiheit, ähnlich den Einschränkungen, mit denen sie in Myanmar konfrontiert waren. Die Behörden von Bangladesch haben außerdem etwa 30.000 Rohingya auf die isolierte, vorgelagerte Insel Bhasan Char umgesiedelt, wo ihnen die Bewegungsfreiheit verweigert wird und ihr Zugang zu Lebensmitteln und Medikamenten eingeschränkt ist.

Geflüchtete Rohingya in Bangladesch haben keinen anerkannten Rechtsstatus, was ihre Situation nach bangladeschischem Recht prekär macht und sie deshalb dem Risiko ausgesetzt sind, dass ihre Menschenrechte verletzt werden. „Wir haben hier sechs Jahre verloren“, sagte eine Rohingya-Frau gegenüber Human Rights Watch. „Ich bin ein Mensch. Warum bin ich mein ganzes Leben lang so behandelt worden? Ich habe jeden Tag Millionen solcher Gedanken.“

Die von bewaffneten Gruppen und kriminellen Banden ausgehende Gewalt in den Lagern nimmt zu und die Behörden von Bangladesch schaffen es nicht, Schutz zu gewähren und für Sicherheit zu sorgen oder die Verantwortlichen zu verfolgen. Den Geflüchteten zufolge wird ihnen der Zugang zu polizeilicher, rechtlicher und medizinischer Hilfe erschwert.

Im Dezember 2021 haben die Behörden von Bangladesch von den Rohingya selbst eingerichtete Schulen verboten. „Die andauernde Flüchtlingssituation, der fehlende Zugang zu Bildung und Arbeit und die anhaltende Gewalt lassen uns hoffnungslos zurück“, sagte ein Sprecher der Rohingya-Bevölkerung aus Bangladesch. „Wir sehen keinen Ausweg mehr. Wir wollen uns ein besseres Leben aufbauen, können es aber nicht. Der fehlende Zugang zu Bildung hindert uns daran, Fähigkeiten und Wissen zu erwerben. Die Bildungslücke in unserer Gemeinschaft wird immer größer“.

Erst jüngst haben die für die Lager zuständigen Behörden wieder Ladenbesitzer*innen schikaniert und vertrieben und einige der von Rohingya geführten Läden zerstört – eine Praxis, die sie schon seit Dezember 2021 verfolgen. „Erst umzäunen sie uns, jetzt machen sie unsere kleinen Geschäfte dicht und verbieten uns, das Lager zu verlassen, um arbeiten zu gehen“, sagte ein Geflüchteter. „Sie haben auch verboten, dass wir Fahrzeugen in den Lagern benutzen, was für einige ältere Menschen, schwangere Frauen und Menschen mit gesundheitlichen Problemen die einzige Möglichkeit war, sich zu bewegen. Jetzt müssen wir vier bis fünf Kilometer laufen, nur um Lebensmittelrationen zu holen.“

Von den im Rahmen des gemeinsamen UN-Hilfsplans für 2023 für die humanitäre Krise der Rohingya geforderten 876 Mio. US-Dollar an Geberbeiträgen ist weniger als ein Drittel zusammengekommen. Angesichts dieser Finanzierungslücke hat das Welternährungsprogramm die Lebensmittelrationen für die Rohingya im Februar um ein Drittel von 12 auf nur noch 8 US-Dollar pro Monat gekürzt, was Unterernährung und Krankheiten Vorschub leistet und die Verzweiflung unter den Geflüchteten wachsen lässt. Den Rohingya und humanitären Helfer*innen zufolge haben die Rationskürzungen jetzt schon medizinische und soziale Folgen.

„Durch die Rationskürzungen haben wir nicht mehr genug zu essen.“, sagte ein freiwilliger Helfer der Rohingya-Community. „Denken Sie an die kleinen Kinder in unseren Familien oder an die schwangeren Frauen. Sie alle sind davon betroffen.“

Die Geber, darunter die Vereinigten Staaten, das Vereinigte Königreich, die Europäische Union und Australien, sollten mehr Mittel bereitstellen und Druck ausüben, damit die Bedürfnisse der geflüchteten Rohingya erfüllt werden können. Sie sollten Bangladesch dazu drängen, seine Beschränkungen aufzuheben, damit die Geflüchteten Zugang zu den notwendigen Hilfsmitteln für den Wiederaufbau ihres Lebens erhalten. Die Länder sollten den Rohingya außerdem neue Möglichkeiten einer dauerhaften Ansiedlung bieten, insbesondere denjenigen, die von bewaffneten Gruppen angegriffen wurden und nicht nur von Verfolgung in ihrer Heimat Myanmar, sondern auch von lebensbedrohlicher Gewalt in den Lagern bedroht sind.

Die Aussicht auf eine dauerhafte, freiwillige Rückkehr ist seit dem Militärputsch in Myanmar in immer weitere Ferne gerückt. Dafür sind dieselben Generäle verantwortlich, die 2017 die Massengräueltaten verübt hatten.

Den Behörden von Bangladesch zufolge sei die Rückführung der Rohingya die einzige Lösung. Eine Junta-Delegation aus Myanmar hat nun Schritte eingeleitet, um die Rohingya im Rahmen eines von Zwang und Täuschung geprägten Pilotprojekts in den Bundesstaat Rakhine zurückzuführen.

Die Vereinten Nationen und die internationale Gemeinschaft sollten weiterhin nachdrücklich darauf hinweisen, dass die Bedingungen für eine sichere, dauerhafte und menschenwürdige Rückkehr der Rohingya derzeit nicht gegeben sind. Die geflüchteten Rohingya haben immer wieder ihren Wunsch bekräftigt, nach Hause zurückzukehren, jedoch nur, wenn ihnen Sicherheit, Zugang zu Land und Einkommensmöglichkeiten, Bewegungsfreiheit und ihre Staatsbürgerrechte gewährt werden können. „Im Zuge der Vertreibung wurde unsere Widerstandsfähigkeit und Stärke in diesen sechs Jahren auf die Probe gestellt“, sagte eine geflüchtete Person. „Ich träume davon, in mein Heimatland Myanmar zurückzukehren, in mein Dorf und mein Zuhause, mit uneingeschränkten Staatsbürgerrechten und allem, was einem Menschen zusteht.“

Die internationale Reaktion auf die Gräueltaten von 2017 war vollkommen unzureichend und zögerlich. Statt, wie geschehen, lediglich ein paar Erklärungen abzugeben, sollte der UN-Sicherheitsrat sinnvolle und konkrete Maßnahmen ergreifen, wie etwa ein weltweites Waffenembargo, die Verweisung des Falls an den Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) sowie gezielte Sanktionen gegen die Junta-Führung und Unternehmen, die sich in der Hand des Militärs befinden.

„Die Rohingya jetzt rückzuführen, würde bedeuten, die Flüchtlinge erneut der Herrschaft einer rücksichtslosen und repressiven Junta auszusetzen und damit die Voraussetzungen für die nächste verheerende Fluchtwelle zu schaffen“, so Bauchner. „Eine freiwillige, sichere und würdige Rückkehr der Rohingya erfordert koordinierte internationale Maßnahmen, die eine die Rechte achtende Zivilregierung in Myanmar etablieren und Gerechtigkeit für vergangene Gräueltaten schaffen.“

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