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Eine Kundgebung vor dem Innenministerium von Kirgisistan, die den Rücktritt dessen Führung nach der Ermordung der entführten Braut Aizada Kanatbekova forderte, inmitten der mutmaßlichen Untätigkeit der Polizei, in Bischkek, 8. April 2021.  © 2021 Vladimir Pirogov/Reuters

Aizada Kanatbekova wurde am helllichten Tag in Bischkek, Kirgisistan, entführt. Zwei Tage später wurde die 27-jährige Frau außerhalb der Stadt erdrosselt aufgefunden.

Sie wurde von einer Gruppe entführt, angeführt von einem Mann, der sie dazu zwingen wollte, ihn zu heiraten.

Die Reaktion der Polizei war miserabel, wie es in diesen Fällen von „Brautentführungen“ in Kirgisistan nur allzu oft der Fall ist. Ein Zeuge informierte die Polizei über die Entführung und die Polizei hatte auch Zugang zu Aufnahmen von Überwachungskameras. Die Polizeibehörde der Stadt Bischkek gab an, eine pausenlose Suche durchzuführen, doch die regionalen Polizeidienststellen in der Umgebung von Bischkek waren darüber nicht informiert.

Das ist alles schon über drei Jahre her, aber bis heute entziehen sich Polizeibeamte der Verantwortung für ihre Untätigkeit, die möglicherweise zum Tod von Kanatbekova durch die Hand ihres „Brautentführers“ beigetragen hat. Erst letzte Woche bestätigte das Stadtgericht von Bischkek den Freispruch des damaligen Polizeichefs und wies die Anklage wegen Fahrlässigkeit im Zusammenhang mit dem Tod von Kanatbekova zurück.

Brautentführungen – d. h. die Entführung von Frauen zum Zwecke der Zwangsheirat – sind in Kirgisistan gesetzlich verboten. Dennoch stellen sie, wie so viele andere Formen geschlechtsspezifischer Gewalt im Land, weiterhin ein gravierendes Problem dar, weil die Behörden sie nicht ernst genug nehmen.

Die nationale Sicherheitsbehörde hat zwar versprochen, sich des Problems anzunehmen, doch die Strafverfolgungsbehörden stehen Hilferufen von Frauen, die grausamen Misshandlungen ausgesetzt sind, im Allgemeinen gleichgültig gegenüber. Beamte haben schockierende Fälle ignoriert, in denen Frauen Tritte gegen den Kopf und Verbrennungen erlitten, ihnen Ohren und Nase abgeschnitten wurden, oder sie auf Polizeistationen erstochen wurden, nachdem sie mit ihrem Entführer allein gelassen wurden.

Ich erinnere mich daran, dass ich von diesen „Brautentführungen“ hörte, als ich vor 30 Jahren zum ersten Mal nach Kirgisistan kam. Ich war schockiert, aber die Leute sagten mir, es sei „Tradition“. Ich fürchte, einige denken immer noch so.

Das Wort „Tradition“ wird so oft verwendet, um Menschenrechtsverletzungen zu rechtfertigen – nicht nur in Zentralasien – und es klingt leider für manche Menschen überzeugend.

Für einige, die mit dieser Kultur aufgewachsen sind, verstärkt es die Vorstellung, dass Dinge zeitlos sind und sich nicht ändern können. Viele Menschen außerhalb einer solchen Kultur haben Angst, den Anschein zu erwecken, als würden sie die Bräuche anderer kritisieren und sich dem Vorwurf der Fremdenfeindlichkeit aussetzen.

Daher schweigen viele und tun so, als würden sie glauben, dass das, was eindeutig falsch ist, im lokalen Kontext völlig normal ist. Und der Verweis auf „Tradition“ wird zur Standardausrede dafür, dass schreckliche Missbräuche weitergehen.

Aber wie bei vielen solchen Problemen beginnt man, die Dinge klar zu verstehen, wenn man den Betroffenen und Überlebenden zuhört. Frag die Person, die wegen ihres Glaubens gefoltert wurde. Frag die Person, die ins Gefängnis gesperrt wurde, weil sie ist, wer sie ist. Frag Familie und Freund*innen der Person, die entführt und ermordet wurde.

Sie alle werden dir sagen, dass es nicht ihre „Tradition“ ist. Es ist ein Verbrechen. Und das haben Behörden ernstzunehmen.

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