Der chinesische Präsident Xi Jinping lenkt ein brutales Unterdrückungsregime, wie wir es seit Jahrzehnten nicht mehr gesehen haben. Dissidenten werden zum Schweigen gebracht. NGOs aufgelöst. Unabhängiger Journalismus existiert nicht mehr. Die Onlinekommunikation ist nur noch mit starken Einschränkungen möglich.
Die bereits eng begrenzten Freiheiten in Hongkong werden weiter gekappt. Und die Uiguren und andere turkstämmige Muslime in Xinjiang leben in einem Überwachungssystem, das in der Welt einmalig ist – wenn sie nicht wie mehr als eine Million ihrer Mitbürger in Camps inhaftiert sind und dort indoktriniert werden.
Peking versucht alles, um internationale Kritik an dieser schrecklichen Entwicklung zurückzuweisen. Seit Langem hat China die öffentliche Meinung im eigenen Land zensiert. Doch jetzt versucht Peking auch, Kritik in anderen Teilen der Welt zu unterdrücken. Dadurch ist das gesamte internationale System in Gefahr, das die Menschenrechte schützen soll.
Die Regierungen in Europa erkennen immer deutlicher, welche Gefahr China für das globale Menschenrechtssystem darstellt. Die Europäische Union hat sich mehrere Male deutlich zu Xinjiang im Menschenrechtsrat geäußert. Einmal wurde daraus sogar die weitreichendste Stellungnahme von Regierungen, die bis jetzt gegen China gerichtet war. Auch das Europaparlament erhebt immer wieder seine Stimme. Im Dezember wurde der inhaftierte uigurische Wissenschaftler Ilham Tohti mit dem bekannten Sacharow-Preis ausgezeichnet.
Doch die EU und ihre Mitgliedstaaten können mehr tun. Die Staats- und Regierungschefs, die mit Vertretern der chinesischen Regierung sprechen, sollten endlich anerkennen, dass ihr Vertrauen in stille Diplomatie nicht funktioniert, wenn sie die Menschenrechtslage verbessern wollen. Wenn die chinesische Bevölkerung, die wichtigste Quelle für Veränderung, die EU-Länder nicht hören kann, dann macht ihr Handeln keinen Sinn.
Auch sollen die EU-Länder den regelmäßig stattfinden EU-China-Menschenrechtsdialog als eine zusätzlich Gelegenheit nutzen, Menschenrechtsverletzungen anzusprechen – und nicht als Entschuldigung dafür, die Menschenrechtslage bei Gipfeltreffen nicht aufzugreifen. Dies ist besonders für Deutschland wichtig, das während seiner EU-Präsidentschaft in der zweiten Jahreshälfte den EU-China-Gipfel in Leipzig vorbereitet.
Europa sollte auch Doppelstandards vermeiden. Wenn Vertreter aus Myanmar für Verbrechen an den Rohingya-Muslims zur Rechenschaft gezogen werden sollen, warum dann nicht chinesische Regierungsvertreter für die Verbrechen an den muslimischen Uiguren? Wenn die europäischen Regierungen auf saudische und russische Versuche hinweisen, sich Legitimität zu erkaufen und Übergriffe zu vertuschen, warum dann nicht auch bei China?
Wenn sie Debatten über Menschenrechtsverletzungen durch Israel, Myanmar oder Venezuela vorantreiben, warum dann nicht auch bei China? Zu Recht wurde die Politik der Trump-Regierung kritisiert, Kinder an der mexikanischen Grenze von ihren Eltern zu trennen. Also warum wird dann nicht auch kritisiert, dass Peking Kinder in Xinjiang von ihren Eltern trennt?
Schließlich sollte Europa nicht akzeptieren, dass China seine Strategie des Teilens und Herrschens anwendet. Regierungen, die gegenüber China auf sich alleine gestellt sind, sind meist nicht bereit, die Menschenrechtslage anzusprechen. Gemeinsam mit anderen Staaten verändert sich jedoch die Machtbalance.
Idealerweise sollten alle EU-Mitgliedstaaten mit einer Stimme sprechen. Ein einziger Abweichler kann ein wirkungsvolles Statement verwässern. In diesem Fall sollten sich all diejenigen Länder zusammenschließen, die bereit sind, Pekings Attacken gegen die Menschenrechte klar zu verurteilen. Dazu kann auch Großbritannien nach dem Brexit gehören. Natürlich wird die chinesische Regierung mit wirtschaftlicher Vergeltung drohen. Doch diese Maßnahmen können nicht gegen jedes Land gleichzeitig gerichtet sein. Auch hat Europa seine eigene wirtschaftliche Schlagkraft – etwa indem alle Firmen verpflichtet werden, dass sie keine Zwangsarbeit von Muslimen in Xinjiang akzeptieren dürfen.
Jedes einzelne Land in Europa sollte anerkennen, dass es sich den Angriffen der chinesischen Regierung gegen das internationale Menschenrechtssystem widersetzen muss. Jahrzehnte des Fortschritts bei den Menschenrechten sind in Gefahr. Dies gilt auch für unsere Zukunft.