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Die Friedensnobelpreisträgerin Jody Williams verbeugt sich vor dem Kambodschaner Tun Channereth, der die Urkunde und die Medaille der Internationalen Kampagne für das Verbot von Landminen hält, als sie am 10. Dezember 1997 im Rathaus von Oslo den Friedensnobelpreis entgegennimmt.  © 1997 Reuters

Vor genau 25 Jahren trat die sogenannte Ottawa-Konvention über das Verbot von Antipersonen-Minen in Kraft. Für diesen Erfolg erhielt Human Rights Watch 1997 als Mitgründer der Internationalen Kampagne für das Verbot von Landminen (ICBL) den Friedensnobelpreis. Der Nobelpreis ging ebenfalls an Jody Williams, die die ICBL mitbegründet und koordiniert hatte, und in den Worten des Nobelpreiskomitees dafür verantwortlich war, „das Verbot von Antipersonenminen aus einer Vision heraus Realität [werden zu lassen]“.

Steve Goose, der heutige Direktor für Waffenkampagnen in der Abteilung Krisen, Konflikte und Waffen bei Human Rights Watch, war dabei, als die Ottawa-Konvention durch Vertreter*innen von 122 Ländern in Ottawa, Kanada unterzeichnet wurde.

Antipersonenminen sind Sprengkörper, die nicht nur während Konflikten Menschen töten und verletzen können, sondern auch noch lange Zeit danach. Zudem können sie nicht zwischen Soldat*innen und Zivilpersonen unterscheiden. Landminen stellen, solange sie nicht geräumt und zerstört sind, eine permanente Gefahr dar. Sind Flächen vermint, müssen die Bewohner*innen das Gebiet verlassen und auch Landwirtschaft oder die Bereitstellung humanitärer Hilfe sind dann nur noch unter größter Gefahr möglich.

Antipersonenminen sind seit dem Zweiten Weltkrieg in großem Umfang eingesetzt worden und hatten damit eine humanitäre Katastrophe zur Folge. Als der Vertrag 1997 ausgehandelt wurde, hatten etwa 55 Länder Antipersonenminen hergestellt und die Bestände waren auf Hunderte von Millionen angestiegen. Das Verbot einer derart weit verbreiteten Waffe war eine bahnbrechende Errungenschaft, die seither Tausende von Menschen vor Tod oder Verletzung bewahrt hat.

Canadian Foreign Affairs Minister Lloyd Axworthy speaks at the Global Ban on Landmines Treaty Signing and Mine Action Forum in Ottawa, Canada, December 2, 1997.  © 1997 Tom Hanson/AP Photo

Die Konvention verbietet den Einsatz sowie die Herstellung, Lagerung und Weitergabe von Antipersonenminen, und zwar unter jeglichen Umständen. Sie verpflichtet die Mitgliedsländer, ihre Bestände zu vernichten, vermintes Land zu räumen und Betroffenen Unterstützung zu bieten. Seit dem Inkrafttreten der Ottawa-Konvention am 1. März 1999 sind ihr schrittweise weitere Länder beigetreten – mittlerweile sind es insgesamt 164.

Der Vertrag über das Verbot von Antipersonenminen war nicht nur deshalb bahnbrechend, weil damit zum ersten Mal eine weit verbreitete Waffe verboten wurde, sondern auch wegen der einzigartigen Art und Weise, wie der Vertrag ausgehandelt wurde.

Änderungen am Vertragsentwurf wurden nicht per Konsens entschieden, sondern mussten von einer Mehrheit der teilnehmenden Länder genehmigt werden, notfalls durch Abstimmung. Deshalb brauchten Länder wie die Vereinigten Staaten breite Unterstützung, als sie Schlupflöcher, Vorbehalte und Ausnahmen in den Vertragsentwurf einfügen wollten – letztendlich ohne Erfolg. Die USA zogen in der Folge ihre Änderungsvorschläge zurück und haben den Vertrag nie unterzeichnet.

Länder, die am stärksten von Landminen betroffen sind, wie Kambodscha, Mosambik, Angola und Kroatien, spielten bei den Verhandlungen eine führende Rolle, ebenso wie kleine und mittelgroße Staaten wie Österreich, Belgien, die Philippinen und Südafrika. „Diese Länder waren natürlich nicht zu Kompromissen bereit“, sagte Mary Wareham, stellvertretende Direktorin der Abteilung Krisen, Konflikte und Waffen bei Human Rights Watch. „Deshalb nennt man den Multilateralismus auch den großen Gleichmacher: Ein Land, eine Stimme. Wir haben für den bestmöglichen Vertrag gekämpft, denn üblicherweise werden Verträge nach ihrer Verabschiedung nicht mehr geändert.“

Human Rights Watch und andere Mitbegründer der ICBL begannen sich in den späten 1980er Jahren für den Vertrag einzusetzen, als der Kalte Krieg langsam zu Ende ging und das Ausmaß der durch den Einsatz von Landminen verursachten Zerstörungen deutlich wurde. Im Jahr 1986 veröffentlichte Human Rights Watch seinen ersten Bericht zu diesem Thema mit dem Titel „Landmines in El Salvador and Nicaragua: The Civilian Victims“ (dt. etwa: Landminen in El Salvador und Nicaragua: die zivilen Opfer). 1991 veröffentlichte Human Rights Watch zusammen mit Physicians for Human Rights den Bericht „The Cowards War: Landmines in Cambodia“ (dt. etwa: Krieg der Feiglinge: Landminen in Kambodscha).

Nachdem er als leitender Mitarbeiter im US-Kongress gearbeitet hatte, kam Goose 1993 zur Waffenabteilung von Human Rights Watch, wenige Monate nachdem diese eingerichtet worden war. Sein erster Auftrag war der Entwurf des Berichts „Landmines: A Deadly Legacy“ (dt. etwa: Landminen: ein tödliches Erbe), der zum Standardwerk für Diplomat*innen, Beamt*innen und Aktivist*innen werden sollte, die sich für ein Verbot von Antipersonenminen einsetzen. Goose spielte später eine zentrale Rolle bei den Vertragsverhandlungen und arbeitete mit Mary Wareham zusammen, die sich damals in der ICBL engagierte. Wareham wechselte 1998 zu Human Rights Watch, um an der Gründung von Landmine Monitor mitzuwirken, einer Initiative der ICBL zur systematischen Bewertung und Überwachung der Einhaltung der Bestimmungen des Ottawa-Vertrags durch die Mitgliedsländer.

Human Rights Watch lud im Oktober 1992 in seinem New Yorker Büro zur Eröffnungssitzung der Kampagne ein. Zu den Gründungsmitgliedern der Organisation gehörten neben Human Rights Watch auch die Vietnam Veterans of America FoundationHandicap International (jetzt Humanity and Inclusion), Medico International, die Mines Advisory Group (MAG) und Physicians for Human Rights.

Gegenwärtig hat die ICBL Mitglieder in Dutzenden von Ländern und ist in den unterschiedlichsten Bereichen tätig, wie etwa Menschenrechte, humanitäre Hilfe, Frauenrechte und Religion – mit herausragendem Erfolg. Seit Unterzeichnung der Ottawa-Konvention über das Verbot von Landminen ist die Zahl der Länder, die Landminen herstellen, auf ein Dutzend gesunken; die Zahl der Menschen, die durch Landminen starben, ist von mehr als 25.000 auf etwa 5.000 pro Jahr drastisch zurückgegangen; mehr als 55 Millionen Antipersonenminen wurden aus den Lagerbeständen vernichtet; und 30 zuvor verminte Länder haben die Räumung abgeschlossen und wurden für minenfrei erklärt.

Doch sollten diese Erfolge nicht davon ablenken, dass noch viel mehr getan werden muss. Deshalb setzt sich Human Rights Watch weiterhin gegen solche Minen ein, stellt Nachforschungen an und leistet einen Beitrag zur ICBL.

Im Bericht Landmine Monitor 2023 sind Myanmar, Syrien, Russland und die Ukraine als Länder aufgeführt, die heute in besonderem Maße vom Einsatz von Antipersonenminen betroffen sind. Russische Truppen haben seit ihrer großangelegten Invasion der Ukraine im Februar 2022 in großem Umfang Antipersonenminen eingesetzt, was zu einem massiven Anstieg der Zahl der Opfer durch Landminen und explosive Kriegsmunitionsrückstände geführt hat. Die Ukraine ist dem Minenverbotsvertrag seitdem beigetreten, die anderen Länder nicht.

Doch auch ukrainische Truppen haben Antipersonenminen eingesetzt und damit der Zivilbevölkerung Schaden zugefügt. Human Rights Watch war die erste Organisation, die den Einsatz von Antipersonenminen durch das ukrainische Militär dokumentiert hat. Diese wurden im Jahr 2022 während der russischen Besatzung der Stadt Isjum mit Raketen abgefeuert. Weitere Beweise für den Einsatz von Antipersonenminen durch ukrainische Truppen wurden im Juni 2023 veröffentlicht.

Auf einer Tagung in Genf zum Übereinkommen über das Verbot von Antipersonenminen im Juni 2023 gab die Ukraine bekannt, dass sie eine „strafrechtliche Voruntersuchung“ wegen des mutmaßlichen Einsatzes von Antipersonenminen eingeleitet habe. Ihre Vertreter*innen trafen sich mit Goose, um die entsprechenden Schritte zu erläutern.

„Die Ukraine befindet sich in einer heiklen Situation, weil sie ein Vertragsstaat des Minenverbotsvertrags ist und sich verpflichtet hat, unter keinen Umständen Antipersonenminen einzusetzen“, so Wareham.

Die Fünfte Überprüfungskonferenz der Konvention wird Ende November in Siem Reap, Kambodscha, stattfinden. Das hochrangige Treffen findet nur alle fünf Jahre statt, und es werden voraussichtlich Spitzenpolitiker*innen aus mehreren Ländern daran teilnehmen.

Passenderweise findet die Konferenz in Kambodscha statt, einem stark verminten Land, das eine zentrale Rolle bei den Bemühungen um die Abschaffung dieser verheerenden und wahllos wirkenden Waffen gespielt hat.

Dies ist ein entscheidender Moment für Kambodscha“, sagte Wareham. „Wir haben unglaubliche Fortschritte bei der Minenräumung im Umkreis der Städte gemacht. Es dauert mittlerweile nur wenige Stunden, um entlegenere Gebiete zu erreichen, die noch nicht geräumt sind. Kambodscha möchte diese Gelegenheit nutzen, um die erzielten Fortschritte zu demonstrieren.“

Die Überprüfungskonferenz stellt eine wichtige Gelegenheit dafür dar, die Fortschritte des Minenverbotsvertrags zu überprüfen und zu überlegen, wie weitere Länder an Bord geholt werden können. Zuletzt sind Sri Lanka und Palästina im Jahr 2017 der Konvention beigetreten. China, Indien, Russland und andere Nichtunterzeichnerstaaten haben bisher kaum Vorbereitungen für einen Beitritt getroffen. Im Juni 2022 kündigte US-Präsident Joe Biden an, dem Minenverbotsvertrag perspektivisch beitreten zu wollen, und führte Änderungen an der US-amerikanischen Politik ein, so dass sie mit den meisten Anforderungen der Konvention übereinstimmt. Seitdem ist jedoch nicht viel passiert.

„Das oberste Ziel der Konvention ist es, dem durch Antipersonenminen hervorgerufenem Leid und dem Tod von Menschen ein Ende zu setzen“, sagte Wareham. „Der Vertrag ist das beste Instrument auf dem Weg zu diesem Ziel. Wenn wir uns weiterhin darauf konzentrieren und mit unseren Partnern zusammenarbeiten, werden wir weitere Fortschritte erzielen und die hohe Zahl der durch Antipersonenminen hervorgerufenen Todesopfer reduzieren.“

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